Impulse

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nusskeks

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Re: Impulse

von nusskeks am 11.07.2025 08:27

Johannes 14,23 – Liebe, die Wohnung schafft


Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen." (Johannes 14,23; Elberfelder)

Jesus spricht diese Worte in der Nacht seines Verrats. Es ist eine Unterweisung an seine Jünger – nicht an die Welt. Der Vers ist daher kein ethisches Prinzip für alle Menschen, sondern eine Beschreibung des Wesens echter Jüngerschaft. Dabei stellt Jesus eine tiefe geistliche Wahrheit vor Augen: Wahre Liebe zu Christus bleibt nicht abstrakt – sie zeigt sich im Hören auf sein Wort und im Leben aus diesem Wort heraus.

Die Formulierung im Griechischen ist bemerkenswert. Das Verb τηρήσει („wird halten") ist Futur Aktiv, was sowohl eine Zukunftsaussage als auch einen Ausdruck des inneren Willens anzeigt. Doch diese Aussage steht nicht im Imperativ – Jesus fordert hier nicht auf, sondern beschreibt, was geschieht, wenn jemand ihn wirklich liebt. Es ist die Frucht der Liebe, nicht ihre Voraussetzung.

Diese Liebe entspringt nicht dem natürlichen Herzen des Menschen. Im Licht des Neuen Bundes – wie ihn Jeremia 31,33a verheißt („Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben...") – ist sie das Werk Gottes. Der Vater selbst schenkt das neue Herz, das zu Jesus gezogen wird (Joh 6,44), und der Geist wirkt die Liebe, aus der der Gehorsam wächst (vgl. Römer 5,5; Galater 5,22). Es geht nicht um Leistung, sondern um Verwandlung.

Der zweite Teil des Verses ist tief trinitarisch: „... und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen." Hier wird die Verheißung greifbar, dass Gott selbst im Gläubigen wohnt – nicht nur durch den Heiligen Geist (vgl. V. 16–17), sondern in Gemeinschaft von Vater und Sohn. Das griechische Wort für „Wohnung" (μονή) kommt nur noch einmal im Neuen Testament vor, nämlich in Joh 14,2: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen ..." – dort ist die Wohnung beim Vater, hier ist der Vater beim Jünger.

Es ist eine tiefe Umkehrung des alten Bundes: Nicht mehr der Mensch kommt zum Tempel Gottes, sondern Gott selbst kommt und macht im Herzen des Menschen Wohnung. Die Liebe zu Christus, sichtbar im Hören und Leben seines Wortes, ist Ausdruck dieser geistgewirkten Wirklichkeit.

So ist Joh 14,23 keine moralische Bedingung, sondern eine liebevolle Zusicherung. Wer Christus liebt – weil er selbst geliebt wurde – wird erleben, wie sich das Wort Gottes in seinem Leben erfüllt, und darf gewiss sein: Gott ist gegenwärtig – nicht als Beobachter, sondern als wohnender Vater und Sohn im Herzen des Gläubigen. Eine solche Gemeinschaft lässt sich nicht erzwingen, aber sie offenbart sich dort, wo Gottes Liebe das Herz wirklich ergriffen hat.

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nusskeks

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Re: Impulse

von nusskeks am 17.07.2025 12:46

Zum Lob seiner Herrlichkeit – wozu lebst du wirklich?
Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben." (Joh 3,16)
„...damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit leben, die wir zuvor auf Christus gehofft haben." (Eph 1,12)


Viele fragen sich: Was ist der Sinn meines Lebens?

Jesus antwortet nicht mit Selbstverwirklichung, sondern mit Gottes Selbsthingabe.

In Johannes 3,16 offenbart sich der lebendige Gott als derjenige, der liebt, gibt und rettet. Der Sohn wird „gegeben" – das griechische δίδωμι steht hier im Aorist und betont die Einmaligkeit und Zielgerichtetheit dieser Handlung: Der Vater gibt den Sohn in den Tod, damit Leben möglich wird. Ewiges Leben ist nicht bloß die Abwesenheit von Tod, sondern – wie Jesus selbst sagt (Joh 17,3) – die innige Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott.

Doch dieses Leben beginnt nicht erst nach dem Tod. Es beginnt mit der Wiedergeburt, die – wie Jesus im selben Kapitel erklärt – von oben kommen muss (Joh 3,3.5). Niemand kann sich selbst neues Leben geben. Der Glaube, durch den wir gerettet werden, ist kein Werk des Menschen, sondern eine Gabe Gottes (Eph 2,8). So wird klar: Die Erlösung ist der Beginn, nicht das Ziel.

Aber wozu dann dieses neue Leben?

Epheser 1 schaut tiefer. Vor Grundlegung der Welt – also noch bevor wir existierten – hat Gott einen Plan gefasst: Menschen in Christus zu erwählen, sie zu erlösen, zu heiligen und ihnen eine neue Identität zu geben: Söhne und Töchter Gottes. Und das alles, „zum Lob seiner Herrlichkeit" (Eph 1,6.12.14). Das ist der rote Faden.

Der Mensch ist nicht geschaffen, um sich selbst zu genügen. Er ist geschaffen, Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und ihn widerzuspiegeln. Das ist wahre Freiheit, weil es der ursprünglichen Bestimmung entspricht. Alles andere ist Verlust.

Wer in Christus ist, hat ein neues Ziel: Nicht mehr für sich selbst zu leben, sondern für den, der für ihn starb und auferstanden ist (2Kor 5,15). Nicht, weil er muss – sondern weil er liebt. Christus wird zum Inhalt des Lebens. Ihn zu kennen, ist das Leben selbst. Ihm zu gefallen, ist wahre Erfüllung. Und ihn zu verherrlichen – im Alltag, im Leiden, im Dienst – ist der tiefste Sinn unserer Existenz.

Was treibt dich an?
Wenn du Christus hast, hast du das Leben – und du hast den Sinn deines Lebens gefunden.

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nusskeks

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Re: Impulse

von nusskeks am 18.07.2025 14:44

Warum Jesus in Gleichnissen sprach
(nach Matthäus 12–13)


Warum sprach Jesus in Gleichnissen? Waren sie einfach nur Geschichten, um komplexe Wahrheiten anschaulich zu machen? Oder steckt mehr dahinter?

Ein Blick in Matthäus 12 und 13 zeigt, dass sich in Jesu Dienst ein klarer Wendepunkt vollzieht. In Kapitel 12 wird deutlich: Viele religiöse Führer wollten nicht glauben. Obwohl sie Jesu Wunder mit eigenen Augen sahen – sogar eine ausschließlich vom Messias durchführbare Dämonenaustreibung – warfen sie ihm vor, in der Kraft Satans zu handeln (Mt 12,24). Das war mehr als Zweifel. Es war eine bewusste Zurückweisung der Wahrheit trotz eindeutiger Zeichen.

Daraufhin ändert Jesus seine Lehrweise. In Matthäus 13 beginnt er, in Gleichnissen zu sprechen. Als seine Jünger ihn fragen, warum, antwortet er überraschend deutlich:

Euch ist's gegeben, zu wissen die Geheimnisse des Himmelreichs, diesen aber ist's nicht gegeben." (Mt 13,11)

Gleichnisse sind also nicht bloß veranschaulichend – sie sind trennend, ein Zeichen von Gericht. Sie offenbaren die Wahrheit denen, die bereit sind zu hören. Und sie verschließen sie denen, die das Licht schon zurückgewiesen haben.

Ein Beispiel ist das Gleichnis vom Sämann. Der Same ist das Wort Gottes – der Boden ist das menschliche Herz. Nur wer mit aufrichtigem Herzen hört und das Gehörte festhält, bringt Frucht (Mt 13,23). Die Gleichnisse selbst sind ein Test: Offenbart sich darin die Bereitschaft, Gottes Wort wirklich aufzunehmen?

Oder das Gleichnis vom verborgenen Schatz (Mt 13,44): Ein Mann entdeckt in einem Acker einen Schatz – und verkauft alles, um das Feld zu kaufen. So zeigt Jesus: Wer das Reich Gottes erkennt, wird bereit sein, alles andere hintanzustellen. Es ist nicht sichtbar für alle, aber es ist da – und wer es erkennt, wird es über alles andere stellen.

Jesus sprach in Gleichnissen, um deutlich zu machen: Das Reich Gottes ist gegenwärtig – aber verborgen. Es ist nicht offensichtlich, nicht spektakulär, nicht politisch. Es wächst still, wie ein Same im Acker, wie Sauerteig im Teig. Nur wer geistlich sehen kann und will, erkennt es.

Und wie steht es um uns?

Sind wir bereit zu hören – auch wenn nicht alles auf Anhieb verständlich ist? Jesus verheißt: Wer sich dem Wort öffnet, wird mehr verstehen. Aber wer sich verschließt, wird selbst das verlieren, was er zu haben meinte (Mt 13,12).

Die Gleichnisse sind wie Fenster: Wer hinsieht, wird Licht erkennen. Wer abwendet, bleibt im Dunkeln.

Aber selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören." (Matthäus 13,16)

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Re: Impulse

von nusskeks am 20.07.2025 19:56

Epheser 2,8

Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch – Gottes Gabe ist es."

(Epheser 2,8)

Dieser Vers aus dem Epheserbrief ist einer der kompaktesten und zugleich tiefgründigsten Aussagen über das Wesen der Errettung im Neuen Testament. Paulus spricht hier nicht nur von einer theologischen Wahrheit, sondern von der geistlichen Grundlage jeder lebendigen Beziehung zu Gott: der Gnade.

1. „Denn aus Gnade seid ihr errettet" – χάριτί ἐστε σεσῳσμένοι
Das griechische Wort „χάρις" (charis) bedeutet Gnade – eine freie, unverdiente Zuwendung Gottes. Paulus verwendet hier die Perfektform „σεσῳσμένοι" (gesōsmenoi) – ihr seid gerettet worden und bleibt es auch. Es ist eine abgeschlossene, göttliche Tat mit bleibender Wirkung. Die Errettung ist kein Prozess, der durch menschliches Bemühen ergänzt werden müsste, sondern ein von Gott vollendetes Werk.

Dass dies aus Gnade geschieht, bedeutet: Es geschieht nicht aufgrund unseres Wertes, unserer Werke oder unserer Entscheidungen. Gottes Zuwendung zu uns entspringt allein seinem Wesen – seiner Liebe, seinem Erbarmen, seinem Heilswillen. Diese Gnade ist nicht billig, sondern teuer erkauft durch das Blut Jesu Christi (vgl. Eph 1,7).

2. „durch den Glauben" – διὰ πίστεως
Die Gnade Gottes wird durch den Glauben empfangen. Der Glaube (griech. pistis) ist dabei keine Leistung, sondern das vertrauende Sich-Ausstrecken nach dem, was Gott in Christus getan hat. Glaube ist die leere Hand, die annimmt, was Gott schenkt. Er ist das Gegenstück zur Gnade – nicht als menschlicher Beitrag, sondern als das Mittel, durch das das göttliche Geschenk empfangen wird.

Paulus macht an dieser Stelle auch deutlich, dass der Glaube nicht die Ursache, sondern der Weg ist: nicht „wegen des Glaubens", sondern „durch den Glauben". Selbst der Glaube ist kein Verdienst, sondern – wie der Vers fortfährt – ein Geschenk Gottes.

3. „Und das nicht aus euch – Gottes Gabe ist es"
Mit besonderer Betonung schließt Paulus jede menschliche Mitwirkung aus: „nicht aus euch" (οὐκ ἐξ ὑμῶν). Weder die Errettung noch der Glaube kommen aus uns selbst. Beides ist Gottes Gabe (δῶρον τοῦ θεοῦ). Der Ausdruck δῶρον bezeichnet ein freies, unverdientes Geschenk. Errettung ist kein Handel, keine Belohnung, sondern eine Gabe, die der Mensch nur annehmen kann.

Gerade hierin liegt der Trost dieses Verses: Wenn die Errettung aus uns käme, könnten wir sie verlieren. Wenn sie aber auf Gottes Gnade gründet, dann ist sie sicher – weil Gott sich selbst treu bleibt.

Fazit
Epheser 2,8 lehrt uns Demut und Dankbarkeit. Unsere Errettung ruht allein auf Gottes Gnade, wird durch den Glauben empfangen, und bleibt in Gottes Hand bewahrt. Jeder Stolz, jede Selbstgerechtigkeit verstummen angesichts dieser Wahrheit. Gleichzeitig dürfen wir in tiefer Freude und Zuversicht leben – nicht, weil wir treu sind, sondern weil Gott treu ist. Darin besteht die ganze Herrlichkeit des Evangeliums: „Gottes Gabe ist es."

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Re: Impulse

von nusskeks am 27.07.2025 15:39

Getröstet im Leiden – gewiss im Frieden"
(Römer 5,1-11)

Nach Römer 5,1 ist der Gläubige „gerechtfertigt aus Glauben" – ein vollendeter, göttlicher Akt. Das griechische „δικαιωθέντες" (Aorist Passiv) macht klar: Wir haben diesen Zustand nicht selbst herbeigeführt, sondern empfangen – als Ergebnis des stellvertretenden Todes Jesu Christi. Aus dieser Rechtfertigung folgt eine neue Realität: „Frieden mit Gott" (εἰρήνην ἔχομεν πρὸς τὸν θεόν). Es ist nicht bloß ein inneres Gefühl, sondern ein objektiver Friede – die Feindschaft ist beendet (vgl. Kol 1,21–22).


Darüber hinaus leben wir fortan „in der Gnade" (V.2). Das griechische Wort „προσαγωγή" (Zugang) erinnert an das Vorrecht, in die Gegenwart eines Königs treten zu dürfen. Unser Glaube hat uns nicht nur hineingeführt, sondern wir stehen darin. Der Stand ist dauerhaft – kein flüchtiger Besuch, sondern eine bleibende Stellung vor Gott.

Doch dann folgt etwas Unerwartetes: „Wir rühmen uns auch der Bedrängnisse" (V.3). Warum das? Weil Gott selbst das Leid in einen geistlichen Prozess hineinnimmt: Bedrängnis – Geduld – Bewährung – Hoffnung. Dieser Weg ist weder oberflächlich noch leicht. Aber er zeigt: Gott gebraucht das Leid, um unser Vertrauen zu vertiefen. Die Bewährung ist nicht unsere Leistung, sondern das Werk seines Geistes in uns.

In V.5 heißt es: „Die Hoffnung macht nicht zuschanden" – sie enttäuscht nicht. Diese Hoffnung ist nicht Wunschdenken, sondern fest gegründet, denn: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist". Das Perfekt „ἐκκέχυται" betont: Gottes Liebe wurde ein für alle Mal in uns hineingegossen – und bleibt. Selbst wenn wir nichts fühlen, bleibt sie wirksam, weil sie durch den Geist vermittelt ist.

Wie aber kann man in Not wirklich gewiss sein, dass Gott liebt? Paulus verweist aufs Kreuz (V.6–8): Nicht unsere Umstände, sondern die Tat Christi am Kreuz ist der höchste Beweis göttlicher Liebe. Und das in einem Moment, als wir noch gottlos, schwach und Sünder waren. Die Liebe Gottes ist nicht Antwort auf unsere Frömmigkeit, sondern reines Erbarmen in unserem Elend.

Daraus folgt eine tiefe Gewissheit: Wenn Christus schon für uns starb, als wir Feinde waren – wie viel mehr wird Gott uns jetzt, als seine Gerechtfertigten, vor dem kommenden Zorn bewahren (V.9–10). Diese Argumentation „vom Größeren zum Kleineren" (πολλῷ μᾶλλον) zeigt: Unsere Rettung ist nicht wackelig, sondern fest im Handeln Gottes gegründet.

Am Ende steht in V.11 das höchste Ziel: Rühmen in Gott selbst, durch Christus. Nicht mehr wir stehen im Mittelpunkt, sondern er. Und in dieser Freude an Gott, geboren aus Gnade, gehalten durch das Kreuz und lebendig gemacht durch den Geist, finden wir Kraft – auch im Leiden.

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Re: Impulse

von nusskeks am 04.08.2025 11:07

Gott ist ein Gott des Rechts – Jesaja 30,18

 

Darum harrt der HERR darauf, dass er euch gnädig sei, und darum macht er sich auf, dass er sich euer erbarme; denn der HERR ist ein Gott des Rechts. Wohl allen, die auf ihn harren!" (Jes 30,18)

Diese Worte stehen wie ein Leuchten mitten in einem dunklen Kapitel. Israel hat sich gegen Gottes Weisung gestellt, auf Ägypten vertraut statt auf den HERRN, seine Propheten verspottet und sich vor den Menschen gefürchtet. Das Urteil scheint unausweichlich – doch dann: Gott wartet.

Das hebräische Wort für „Recht" hier ist mišpāṭ – ein zentraler Begriff der Bibel. Es meint mehr als bloß Gesetz oder Strafe. Es bezeichnet die göttliche Ordnung, in der jeder bekommt, was ihm zusteht – der Schuldige Gerechtigkeit, der Schwache Schutz, der Reuige Barmherzigkeit. Mišpāṭ ist der Ausdruck dafür, dass Gott nicht willkürlich handelt. Alles, was er tut, ist wahr, gerecht und gut.

Gerade deshalb wartet Gott. Nicht aus Gleichgültigkeit, sondern weil seine Gnade ebenso Teil seiner Ordnung ist wie sein Gericht. Er will sein Volk nicht zerschlagen, sondern zurückrufen. Er will nicht einfach hinwegsehen, sondern heil machen, was zerbrochen ist.

Israel wird nicht verworfen, sondern durch Leid, Zerstreuung und Umkehr zu seiner Berufung geführt. Jesaja spricht hier nicht nur vom Einzelnen, sondern vom ganzen Volk Gottes – und von Gottes Treue zu seinem Bund. Diese Geduld Gottes findet ihre tiefste Erfüllung im Messias.

In Jeschua (Jesus) offenbart sich der Gott des mišpāṭ in ganzer Tiefe. Am Kreuz wurde das Recht Gottes nicht aufgehoben, sondern vollstreckt – und zugleich die Gnade frei für alle, die glauben. So konnte Paulus später schreiben, dass Gott „gerecht ist und den gerecht macht, der aus dem Glauben an Jesus lebt" (Röm 3,26).

Jesaja 30,18 ruft uns also in die Stille des Wartens. Nicht passiv, sondern im Vertrauen: Gott sieht, Gott handelt, Gott ist treu. Der Weg der Umkehr bleibt offen – selbst für die, die abgeirrt sind. Denn der HERR ist ein Gott des Rechts – aber auch der Barmherzigkeit.

Glückselig sind, die auf ihn harren. Wer sich seiner Herrschaft unterstellt, wer nicht auf menschliche Hilfe baut, sondern auf das rettende Eingreifen Gottes, wird seine Treue erfahren. Nicht immer sofort – aber gewiss. Denn mišpāṭ ist nicht das Ende der Geschichte. Es ist der Boden, auf dem Gottes Gnade wächst.

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Re: Impulse

von nusskeks am 08.08.2025 17:41

„Er hebt die Augen auf zu seinem Volk"

Wenn wir auf die aktuellen Nachrichten blicken, sehen wir ein zunehmendes Maß an Kritik, Isolation und Feindseligkeit gegenüber Israel – politisch, diplomatisch, militärisch. Viele Nationen erheben ihre Stimme gegen das Land, und manche arbeiten aktiv an seiner Schwächung. Wer die Bibel kennt, erkennt hier ein Motiv, das sich wie ein roter Faden durch die prophetischen Schriften zieht:

„Und es soll geschehen an jenem Tag, dass ich Jerusalem zum Laststein für alle Völker machen werde; alle, die ihn heben wollen, werden sich gewisslich daran wund reißen; und alle Heidenvölker der Erde werden sich gegen es versammeln." (Sach 12,3; kol goye ha'arets)

Der hebräische Ausdruck kol goye ha'arets betont die Gesamtheit der Völker – ein Bild der weltweiten Frontstellung. Noch sind wir nicht an dem Punkt, an dem sich alle Nationen physisch gegen Jerusalem versammeln. Aber wir sehen Muster, die an die prophetischen Vorankündigungen erinnern: zunehmender internationaler Druck, wachsender Hass und koordinierte Anstrengungen, Israel in den Augen der Welt zu delegitimieren.

Auch Joel 4,2 (weqibbatzti et-kol-haggoyim – „ich werde alle Nationen versammeln") macht deutlich: Das Versammeln ist letztlich Gottes Werk. Die Nationen handeln in ihrer Feindschaft, doch Gott führt sie in eine Situation, in der er selbst Gericht hält. Das bedeutet: Die Endzeitkonflikte sind nicht Zeichen eines Kontrollverlustes Gottes, sondern der Vollendung seines Plans.

Die Offenbarung greift dieses Motiv auf:
• In Offb 16,14–16 werden die Könige der Erde zum Krieg versammelt – ein direkter Vorläufer der Wiederkunft Jesu.
• In Offb 20,8–9 umzingeln „Gog und Magog" nach dem Millennium „die geliebte Stadt" – und Feuer vom Himmel beendet den Aufstand.

Diese Texte machen zweierlei klar:
1. Gott hat den Ablauf unter Kontrolle – er setzt die Zeitpunkte und Grenzen.
2. Der Fokus liegt auf seiner Rettung und Herrschaft, nicht auf der Macht der Feinde.

Darum ist biblische Wachsamkeit nicht Panik, sondern nüchternes Erkennen der Zeichen der Zeit.
Jesus sagte in Lk 21,28:
Wenn aber dies anfängt zu geschehen, so richtet euch auf und erhebt eure Häupter, weil eure Erlösung naht."

Unser Trost liegt nicht in stabilen politischen Allianzen oder militärischer Überlegenheit, sondern im Charakter Gottes:
• Er ist treu ('emunah, Ps 33,4) – er vergisst weder Israel noch seine Verheißungen.
• Er ist allmächtig (Shaddai, Offb 1,8) – keine Koalition kann seinen Plan vereiteln.
• Er ist gerecht (tsaddiq, Ps 97,2) – er wird Recht sprechen über die, die sein Volk bedrängen.

Wachsamkeit heißt, die Entwicklungen mit der Schrift zu prüfen, den Blick auf Jesus gerichtet zu halten und im Gebet einzustehen – für Israel, für die Gemeinde und für alle, die ihn noch nicht kennen.

Möge uns diese Zeit nicht in Angst treiben, sondern in ein tieferes Vertrauen:

Der HERR der Heerscharen ist mit uns, der Gott Jakobs ist unsere sichere Burg." (Ps 46,8)

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Re: Impulse

von nusskeks am 10.08.2025 07:22

„Jeremia 39 – Gottes Wort steht fest"

Es war das elfte Jahr der Herrschaft Zedekias. Die Mauern Jerusalems waren gebrochen, die letzte Hoffnung der Stadt zerschlagen. Die Babylonier hatten ihr Werk vollendet, und die führenden Männer des Königs Nebukadnezar saßen bereits im Mitteltor, um die Eroberung zu verwalten. Unter ihnen wird ein Name genannt, der uns in der Bibel begegnet: Nebo-Sarsekim, der oberste Hofbeamte.

Was damals vielleicht wie eine Randnotiz wirkte, ist kürzlich durch einen unscheinbaren archäologischen Fund eindrucksvoll bestätigt worden. Eine jahrtausendealte Tontafel aus Babylon nennt diesen Mann mit Namen und Titel – festgehalten in einer Verwaltungsnotiz, datiert (595 v. Chr) auf die Zeit kurz vor der Eroberung Jerusalems. Plötzlich steht vor unserem inneren Auge eine konkrete Person: ein einflussreicher Beamter, Teil der Geschichte, die Jeremia so nüchtern beschreibt.

Diese Übereinstimmung ist mehr als ein historisches Detail. Sie ist ein leiser, aber kraftvoller Hinweis: Das, was in Gottes Wort überliefert ist, ruht nicht im Nebel der Legenden. Es ist fest in der Wirklichkeit verankert. Namen, Titel, Ereignisse – alles trägt den Stempel der Geschichte.

Für die Menschen damals war Jeremia 39 eine bittere Realität. Sie sahen Zerstörung, erlebten Verlust, und viele fragten sich, ob Gott sie vergessen habe. Doch dieselben Ereignisse, die ihnen wie ein Ende vorkamen, waren Teil von Gottes größerem Plan. Auch im Gericht blieb Er der Herr der Geschichte.

Dieser kleine Fund darf auch uns ermutigen. Er erinnert uns daran, dass Gottes Wort nicht veraltet und nicht unsicher ist. Wenn Er spricht, dann ist es wahr – ob es um das Geschehen vor zweieinhalbtausend Jahren geht oder um Seine Verheißungen für unser Leben heute.

Jeremia 39 zeigt uns: Gott kennt die Namen, Er kennt die Umstände, und Er lenkt den Lauf der Geschichte. In Zeiten der Erschütterung können wir uns darauf verlassen, dass Sein Wort Bestand hat – gestern, heute und in Ewigkeit.

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Re: Impulse

von nusskeks am 12.08.2025 14:44

Jesus und die Bibel 
(Ist als Ermutigung und zum Weiterforschen für den Leser gedacht. Sorry, wurde etwas länger)

1. Ausgangspunkt und Ziel: Jesu Selbstverständnis und die Schrift
Jesus versteht seine Sendung nicht losgelöst von der Schrift, sondern aus ihr heraus. Er tritt auf mit der Überzeugung, dass „alles, was über mich geschrieben steht" zur Erfüllung kommen „muss" (δεῖ; Lk 24,44–47). Damit begründet Jesus seine Messianität nicht primär durch Wunder oder Volksmeinungen, sondern durch das, was „geschrieben steht" (γέγραπται, gégraptai; Mt 4,4.7.10; Mk 14,27 u.ö.). Die Schrift ist für ihn Gottes offenbartes Wort, das seine Person und sein Werk legitimiert.


2. Jesu ausdrückliche Sicht auf Autorität und Wahrhaftigkeit der Schrift

Zentrale Aussagen:

„Die Schrift kann doch nicht gebrochen werden" (ἡ γραφὴ οὐ δύναται λυθῆναι, hē graphē ou dynatai lythēnai; Joh 10,35). Jesus behauptet Unauflöslichkeit und Verbindlichkeit der Schrift.

„Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht ein Jota noch ein Strichlein (ἰῶτα ἓν ἢ μία κεραία, iōta hen ē mia keraia) vom Gesetz vergehen" (Mt 5,18). Das „iota" entspricht dem hebräischen י (yod), „keraia" dem kleinsten Strich – Jesus betont Genauigkeit bis in kleinste Zeichen.

In der Auseinandersetzung mit den Sadduzäern beruft er sich auf die Zeitform eines einzelnen Verbs, um die Auferstehung zu beweisen (Ex 3,6 in Mt 22,31–32: „Ich bin der Gott Abrahams ..."). Grammatik wird theologisch entscheidend.

Diese Aussagen setzen voraus, dass die Schrift in jeder Hinsicht wahrhaftig und zuverlässig ist. Für Jesus ist das, was die Schrift sagt, das, was Gott sagt.

3. „Gott spricht in der Schrift" – Gleichsetzung von Schriftwort und Gotteswort
Jesus macht wiederholt deutlich, dass in der Schrift Gott selbst spricht:

„Habt ihr nicht gelesen, was euch von Gott gesagt ist?" (Mt 22,31) – obwohl das Zitat aus Mose stammt, ist es „von Gott gesagt".

„Ihr hebt das Wort Gottes (τὸν λόγον τοῦ θεοῦ, ton logon tou theou) auf durch eure Überlieferung" (Mk 7,13). Schrift ist „Wort Gottes" – Tradition darf es nicht neutralisieren.

4. Kanonisches Selbstverständnis: Gesetz, Propheten, Psalmen – von Abel bis Secharja
In Lk 24,44 nennt Jesus die dreifache Einteilung der hebräischen Bibel: „Gesetz des Mose" (תּוֹרָה, Torah), „Propheten" (נְבִיאִים, Nevi'im) und „Psalmen/Schriften" (כְּתוּבִים, Ketuvim). In Mt 23,35 spricht er vom Blut Abels (Gen 4) bis Secharja – eine Formulierung, die den Rahmen „Genesis bis Chronik" markiert (in der jüdischen Kanonordnung steht Chronik am Ende). Damit bestätigt Jesus implizit Umfang und Autorität des alttestamentlichen Kanons.

5. Jesu Schriftgebrauch in ethischen und theologischen Streitfragen
Jesus behandelt die Schrift als letzte Norm (norma normans):

a) Versuchung in der Wüste (Mt 4,1–11; Lk 4,1–13). Dreimal antwortet er mit „Es steht geschrieben" (γέγραπται) und zitiert aus Dtn 6–8. Er widersteht dem Satan nicht mit Erfahrung oder Logik allein, sondern mit dem geoffenbarten Wort.

b) Ehe/Schöpfungsordnung (Mt 19,3–9; Mk 10,2–9). Er argumentiert aus Gen 1–2 („von Anfang an", ἀπ' ἀρχῆς) und begründet Ethik aus Schöpfungshistorie. Für Jesus ist Genesis Geschichte mit normativer Kraft.

c) Auferstehung (Mt 22,23–33). Aus Ex 3,6 (d.h. aus der Tora, die die Sadduzäer anerkannten) leitet er die Auferstehung ab – feinste grammatische Beobachtung trägt Lehrwahrheit.

d) Sabbat/Tempelreinigung (Mt 12; Mt 21,13). Er interpretiert Gen 2, Hosea 6,6 („Ich will Barmherzigkeit, nicht Opfer"), Jes 56,7 und Jer 7,11 – die Schrift richtet den kultischen und moralischen Gottesdienst aus.

e) Tradition vs. Gebot (Mk 7,1–13). Jesus weist menschliche Tradition zurück, wo sie Gottes Gebot neutralisiert – die Hierarchie ist klar: Schrift > Tradition.

6. Jesu messianische Selbstbezeugung „gemäß den Schriften"
Jesu Identität und Auftrag werden durch „Erfüllung" (πληρόω, plēróō) geprägt:

a) Programmatische Antrittspredigt (Lk 4,16–21). Er liest Jes 61,1–2, wendet es auf sich an („Heute ist diese Schrift erfüllt").
Textkritischer Hinweis: In Lk 4,18 enthalten viele byzantinische Zeugen (RP/TR) den Satzteil „zu heilen, die zerbrochenen Herzens sind" (καὶ ἰάσασθαι τοὺς συντετριμμένους τῇ καρδίᾳ), der in NA28 fehlt. Unabhängig von der Variante ist die Hauptaussage unberührt: Jesus identifiziert sich als der Gesalbte, auf dem der Geist ruht, der die Heilszeit bringt.

b) Leidens- und Auferstehungsnotwendigkeit (Lk 24,25–27.44–47). „Musste (δεῖ) der Christus das nicht leiden und in seine Herrlichkeit eingehen?" Jesus legt „bei Mose und allen Propheten" aus, „was in allen Schriften über ihn steht". Sein Weg ans Kreuz ist Schriftgebot, nicht bloß Tragik.

c) Konkrete Erfüllungen.
– Einzug (Sach 9,9; Mt 21,4–5).
– Hirtenschlag (Sach 13,7; Mt 26,31).
– „Unter die Gesetzlosen gerechnet" (Jes 53,12; Lk 22,37).
– Psalm 22 am Kreuz (Mt 27,46; Ps 22,2 [hebr. 22,1]).
– „Eifer um dein Haus" (Ps 69,10; Joh 2,17).
Jesus beansprucht ausdrücklich, der Messias der Propheten zu sein (vgl. Joh 5,39.45–47: „Wenn ihr Mose glaubtet, würdet ihr mir glauben; denn er hat von mir geschrieben").

7. Typologie und heilsgeschichtliches Lesen
Jesus liest die Schrift heilsgeschichtlich und typologisch, ohne den wörtlich-historischen Sinn zu negieren:

Jonah als Vorausbild seines Todes/Auferstehens (Mt 12,39–41). „Größer als Jona ist hier" – Typus (יוֹנָה, Yonah) erfüllt sich im Antitypus.

Manna/Passa/Tempel: Er deutet Manna (Ex 16) christologisch (Joh 6), das Passa (Ex 12) auf sein Opfer, den Tempel auf seinen Leib (Joh 2,19–21).

Schlange in der Wüste (Num 21,9) als Vorausbild der Erhöhung des Menschensohns (Joh 3,14–15).

8. Inspiration bis ins Detail: Wörter, Zeiten, Buchstaben
Jesu Argumentationen beruhen oft auf „Kleinigkeiten", was seine Sicht auf Verbalinspiration erkennen lässt:

Zeitform (Mt 22,32; Ex 3,6 LXX: ἐγώ εἰμι, „ich bin").

Einzelwort (Joh 10,34–36 aus Ps 82,6: „Götter" – θεοί – in forensischer, richterlicher Funktion).

Buchstabenstriche (Mt 5,18: י (yod), κεραία).

„Es steht geschrieben" (γέγραπται, Perfekt) – die bleibende Geltung des geschriebenen Wortes.

9. Historische Zuverlässigkeit: Jesus bestätigt die Historizität des AT
Jesus verweist auf Noach (נֹחַ; Mt 24,37–39), Abel (הֶבֶל; Lk 11,51), Sodom und Gomorra (Lk 10,12), Lot's Frau (Lk 17,32), Jona (Mt 12,40–41), Mose und den Dornbusch (Mk 12,26) und Daniel (Mt 24,15) als reale Personen/Ereignisse. Er spricht David die Autorenschaft von Ps 110 zu und betont, dass David „im Heiligen Geist" redete (ἐν πνεύματι ἁγίῳ; Mk 12,36). Jesu Umgang mit diesen Texten setzt die historische Verlässlichkeit des AT voraus und bestätigt sie zugleich.

10. Gesetz und Erfüllung (Mt 5,17–20): Kein Abbruch, sondern Zielerreichung
„Ich bin nicht gekommen aufzulösen (καταλῦσαι), sondern zu erfüllen (πληρῶσαι)." Erfüllung bedeutet nicht Entwertung, sondern Vollendung und Offenlegung des eigentlichen Sinns. In den Antithesen („Ihr habt gehört ... ich aber sage euch") radikalisiert er nicht gegen Mose, sondern zeigt die Tiefe des Gesetzes und die Irrtümer des Talmud auf (Herz, Motivation, Ganzhingabe). Die bleibende Geltung des göttlichen Willens wird nicht geschwächt, sondern bestätigt und in Christus konkretisiert.

11. Sprachliche und kanonische Feinheiten
„Schrift" (ἡ γραφή, hē graphē / αἱ γραφαί, hai graphai) erscheint bei Jesus als feststehender Autoritätsbegriff, häufig im Perfekt „γέγραπται" („es steht geschrieben").

„Gesetz" (νόμος, nomos) kann eng die Tora oder weit den ganzen Kanon bezeichnen (Joh 10,34; Zitat aus Ps 82 zeigt: „Gesetz" = gesamte Schrift).

Hebräische Dreiteilung (Torah–Nevi'im–Ketuvim) in Lk 24,44 bestätigt die Struktur des jüdischen Kanons.

LXX/MT-Frage: Jesu Zitate folgen oft der Septuaginta (griech. Übersetzung), teils paraphrasiert er. Entscheidend für ihn ist der gottgewollte Sinn des Textes. Wo griechische und hebräische Formulierungen differieren, behandelt Jesus beide nicht konkurrierend, sondern dient sich des anerkannten Schriftwortes an, um Gottes Willen klarzumachen. (Für unsere Lehre: Autorität liegt in dem von Gott intendierten Inhalt, den die Kirche in der kanonischen Schrift empfängt.)

12. Einwände und Kurzantworten
Mark 2,26 („unter Abiathar") vs. 1Sam 21: Jesus widerspricht der Schrift nicht; die Wendung kann „in der Zeit des Abiathar" bedeuten (ein bekannterer Hoherpriester der David-Zeit). Der Punkt Jesu bleibt: Barmherzigkeit und Lebensschutz entsprechen dem Schöpfungssinn des Sabbats.

„Von Abel bis Secharja" (Mt 23,35): Die Identifikation des Secharja ist diskutiert; die Hauptaussage – der gesamte Kanon bezeugt Israels Umgang mit Gottes Boten – bleibt klar erkennbar.

13. Konsequenz: Wer Jesus folgt, übernimmt seine Bibliologie
Wenn Jesus der messianische Sohn Gottes ist und ohne Sünde die Wahrheit redet, dann ist seine Sicht der Schrift normativ für Jünger. Er hält die Schrift für göttlich, unfehlbar, maßgebend und zielgerichtet auf ihn. Christliche Nachfolge ohne hohe Schriftansicht wäre ein Widerspruch zu Jesu eigener Lehre. Die historische Zuverlässigkeit des Alten Testaments ist für ihn nicht Randfrage, sondern Fundament seiner Sendung.

14. Leitverse (mit kurzen Sprachhinweisen) für die Vertiefung
Joh 10,35: ἡ γραφὴ οὐ δύναται λυθῆναι (die Schrift kann nicht gelöst/aufgehoben werden).

Mt 5,18: ἰῶτα / κεραία (kleinster Buchstabe/Strichlein).

Lk 24,44–47: νόμος–προφῆται–ψαλμοί; δεῖ (Muss-Notwendigkeit der Erfüllung).

Mt 22,31–32: „gesprochen zu euch von Gott" – göttliche Stimme in Schrift.

Mk 12,36: Δαυίδ ... ἐν πνεύματι ἁγίῳ (David im Heiligen Geist).

Joh 5,39.46: ἐραυνᾶτε τὰς γραφάς (forscht in den Schriften); „Mose hat von mir geschrieben."

15. Vorschlag für die Weiterarbeit 
Textbetrachtung: Lk 24,13–35 (Emmaus) – bitte den Herrn, „den Sinn zu öffnen" (διήνοιξεν τὸν νοῦν; vgl. Lk 24,45) und markiere, wie Jesus von Mose/Propheten auf sich zeigt.

Gehorsamsfelder: Mk 7,1–13; Mt 19,3–9 – Wo korrigiert die Schrift unsere Traditionen und Wünsche?

Trostquellen: Ps 22 mit den Evangelien – wie gibt die Schrift dem leidenden Messias und seinen Jüngern Sprache und Hoffnung?

Bekenntnis: Formuliere ein persönliches „Heute ist diese Schrift erfüllt" (Lk 4,21) – Wo erlebst du, dass Christus das Schriftwort an dir vollzieht?

One of Israel

Antworten Zuletzt bearbeitet am 13.08.2025 07:40.

nusskeks

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Re: Impulse

von nusskeks am 12.08.2025 15:23

Ich nochmal... soory, aber ich habe hin und her überlegt, ob der letzte Text wirklich so sinnvoll ist, also didaktisch. Ob es also jemandem hilft, es so zu schreiben. Dann habe ich überlegt, ob ich den letzten Beitrag wieder löschen sollte. Als Resultat habe ich den Beitrag neu geschrieben und anders aufgebaut. Ihr könnt selbst entscheiden, welche Fassung euch lieber ist. Viel Spaß damit:

„Es steht geschrieben" – Jesu Sicht auf die Schrift und unser Vertrauen


Wenn wir Jesus in den Evangelien begegnen, sehen wir einen Herrn, der mitten im Leben steht – aber dessen Herz und Denken fest verankert sind im Wort Gottes. Für ihn ist die Schrift nicht ein Buch unter vielen, nicht eine Sammlung religiöser Gedanken, sondern Gottes lebendiges, unfehlbares Wort. „Die Schrift kann doch nicht gebrochen werden", sagt er (Joh 10,35) – und damit stellt er klar: Hier spricht Gott selbst, und kein Buchstabe ist zufällig.

Dabei macht Jesus etwas deutlich, das wir oft übersehen: Wenn die Schrift spricht, spricht Gott. Als er den Sadduzäern von der Auferstehung erzählt, sagt er: „Habt ihr nicht gelesen, was euch von Gott gesagt ist?" (Mt 22,31). Und in einer Auseinandersetzung mit den Pharisäern wirft er ihnen vor, „das Wort Gottes" durch ihre Traditionen aufzuheben (Mk 7,13). Für ihn ist also jede Zeile der Schrift nicht nur historische Aufzeichnung, sondern Gottes gegenwärtige Rede an die Menschen – damals wie heute.

Immer wieder greift Jesus auf die Schriften zurück, wenn er seine Identität als Messias bezeugt. Ob in der Synagoge von Nazareth, wo er Jesaja 61 liest und sagt: „Heute ist diese Schrift erfüllt", oder auf dem Weg nach Emmaus, wo er den Jüngern aus Mose und den Propheten erklärt, dass der Christus leiden musste – er stellt sich selbst mitten in die große Geschichte Gottes, wie sie im Alten Testament offenbart ist. Für ihn ist klar: Wer wissen will, wer er ist, muss die Schrift kennen und ihr glauben.

Bemerkenswert ist, wie Jesus mit der Schrift umgeht. Er nimmt jedes Wort ernst – sogar die Zeitform eines Verbs oder den kleinsten Buchstaben (Mt 5,18; Mt 22,32). Damit macht er deutlich: Gottes Wort ist in jeder Hinsicht wahr. Wenn er aus 5. Mose den Angriffen des Teufels entgegentritt („Es steht geschrieben..."), zeigt er uns, dass geistlicher Sieg nur da möglich ist, wo wir fest auf Gottes Wort stehen.

Jesus behandelt die Geschichten und Personen des Alten Testaments als historische Wirklichkeit: Noah, Jona, Mose, David – für ihn sind das keine Legenden, sondern Teil der heilsgeschichtlichen Realität, auf die Gott seinen Plan gründet. Wer die Schrift relativiert, stellt sich damit in Gegensatz zu Jesu eigener Haltung.

Und so wird deutlich: Wer Jesus folgt, übernimmt seine Sicht auf die Bibel. Für ihn war sie das Fundament seiner Lehre, die Quelle seiner Kraft und die Richtschnur seines Handelns. Sie war für ihn nicht verhandelbar – und sollte es für uns ebenso wenig sein.

Vielleicht ist das heute unsere größte Herausforderung: das Vertrauen in Gottes Wort so ernst zu nehmen wie Jesus selbst. Wenn wir ihm glauben, dass „nicht ein Jota noch ein Strichlein vergehen wird", dann lernen wir, unser Leben nicht nach wechselnden Meinungen, sondern nach dem ewigen Wort Gottes zu bauen. Dann wird die Bibel nicht nur ein Buch im Regal, sondern die Stimme des lebendigen Gottes, der uns ruft, korrigiert, tröstet und stärkt.

Möge unser Herz – wie das unseres Herrn – im Wort verankert sein, damit wir in jeder Prüfung sagen können: „Es steht geschrieben." Und möge unser Leben ein Zeugnis dafür sein, dass wir glauben, was Jesus geglaubt hat: Die Schrift ist Gottes vollkommenes, wahrhaftiges und lebendiges Wort – und sie führt uns zu ihm.


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