Suche nach Beiträgen von nusskeks

1  |  2  |  3  |  4  |  5  |  6  ...  52  |  »  |  Letzte Die Suche lieferte 512 Ergebnisse:


nusskeks

33, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 512

Re: Impulse

von nusskeks am 12.08.2025 15:23

Ich nochmal... soory, aber ich habe hin und her überlegt, ob der letzte Text wirklich so sinnvoll ist, also didaktisch. Ob es also jemandem hilft, es so zu schreiben. Dann habe ich überlegt, ob ich den letzten Beitrag wieder löschen sollte. Als Resultat habe ich den Beitrag neu geschrieben und anders aufgebaut. Ihr könnt selbst entscheiden, welche Fassung euch lieber ist. Viel Spaß damit:

„Es steht geschrieben" – Jesu Sicht auf die Schrift und unser Vertrauen


Wenn wir Jesus in den Evangelien begegnen, sehen wir einen Herrn, der mitten im Leben steht – aber dessen Herz und Denken fest verankert sind im Wort Gottes. Für ihn ist die Schrift nicht ein Buch unter vielen, nicht eine Sammlung religiöser Gedanken, sondern Gottes lebendiges, unfehlbares Wort. „Die Schrift kann doch nicht gebrochen werden", sagt er (Joh 10,35) – und damit stellt er klar: Hier spricht Gott selbst, und kein Buchstabe ist zufällig.

Dabei macht Jesus etwas deutlich, das wir oft übersehen: Wenn die Schrift spricht, spricht Gott. Als er den Sadduzäern von der Auferstehung erzählt, sagt er: „Habt ihr nicht gelesen, was euch von Gott gesagt ist?" (Mt 22,31). Und in einer Auseinandersetzung mit den Pharisäern wirft er ihnen vor, „das Wort Gottes" durch ihre Traditionen aufzuheben (Mk 7,13). Für ihn ist also jede Zeile der Schrift nicht nur historische Aufzeichnung, sondern Gottes gegenwärtige Rede an die Menschen – damals wie heute.

Immer wieder greift Jesus auf die Schriften zurück, wenn er seine Identität als Messias bezeugt. Ob in der Synagoge von Nazareth, wo er Jesaja 61 liest und sagt: „Heute ist diese Schrift erfüllt", oder auf dem Weg nach Emmaus, wo er den Jüngern aus Mose und den Propheten erklärt, dass der Christus leiden musste – er stellt sich selbst mitten in die große Geschichte Gottes, wie sie im Alten Testament offenbart ist. Für ihn ist klar: Wer wissen will, wer er ist, muss die Schrift kennen und ihr glauben.

Bemerkenswert ist, wie Jesus mit der Schrift umgeht. Er nimmt jedes Wort ernst – sogar die Zeitform eines Verbs oder den kleinsten Buchstaben (Mt 5,18; Mt 22,32). Damit macht er deutlich: Gottes Wort ist in jeder Hinsicht wahr. Wenn er aus 5. Mose den Angriffen des Teufels entgegentritt („Es steht geschrieben..."), zeigt er uns, dass geistlicher Sieg nur da möglich ist, wo wir fest auf Gottes Wort stehen.

Jesus behandelt die Geschichten und Personen des Alten Testaments als historische Wirklichkeit: Noah, Jona, Mose, David – für ihn sind das keine Legenden, sondern Teil der heilsgeschichtlichen Realität, auf die Gott seinen Plan gründet. Wer die Schrift relativiert, stellt sich damit in Gegensatz zu Jesu eigener Haltung.

Und so wird deutlich: Wer Jesus folgt, übernimmt seine Sicht auf die Bibel. Für ihn war sie das Fundament seiner Lehre, die Quelle seiner Kraft und die Richtschnur seines Handelns. Sie war für ihn nicht verhandelbar – und sollte es für uns ebenso wenig sein.

Vielleicht ist das heute unsere größte Herausforderung: das Vertrauen in Gottes Wort so ernst zu nehmen wie Jesus selbst. Wenn wir ihm glauben, dass „nicht ein Jota noch ein Strichlein vergehen wird", dann lernen wir, unser Leben nicht nach wechselnden Meinungen, sondern nach dem ewigen Wort Gottes zu bauen. Dann wird die Bibel nicht nur ein Buch im Regal, sondern die Stimme des lebendigen Gottes, der uns ruft, korrigiert, tröstet und stärkt.

Möge unser Herz – wie das unseres Herrn – im Wort verankert sein, damit wir in jeder Prüfung sagen können: „Es steht geschrieben." Und möge unser Leben ein Zeugnis dafür sein, dass wir glauben, was Jesus geglaubt hat: Die Schrift ist Gottes vollkommenes, wahrhaftiges und lebendiges Wort – und sie führt uns zu ihm.


One of Israel

Antworten

nusskeks

33, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 512

Re: Impulse

von nusskeks am 12.08.2025 14:44

Jesus und die Bibel 
(Ist als Ermutigung und zum Weiterforschen für den Leser gedacht. Sorry, wurde etwas länger)

1. Ausgangspunkt und Ziel: Jesu Selbstverständnis und die Schrift
Jesus versteht seine Sendung nicht losgelöst von der Schrift, sondern aus ihr heraus. Er tritt auf mit der Überzeugung, dass „alles, was über mich geschrieben steht" zur Erfüllung kommen „muss" (δεῖ; Lk 24,44–47). Damit begründet Jesus seine Messianität nicht primär durch Wunder oder Volksmeinungen, sondern durch das, was „geschrieben steht" (γέγραπται, gégraptai; Mt 4,4.7.10; Mk 14,27 u.ö.). Die Schrift ist für ihn Gottes offenbartes Wort, das seine Person und sein Werk legitimiert.


2. Jesu ausdrückliche Sicht auf Autorität und Wahrhaftigkeit der Schrift

Zentrale Aussagen:

„Die Schrift kann doch nicht gebrochen werden" (ἡ γραφὴ οὐ δύναται λυθῆναι, hē graphē ou dynatai lythēnai; Joh 10,35). Jesus behauptet Unauflöslichkeit und Verbindlichkeit der Schrift.

„Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht ein Jota noch ein Strichlein (ἰῶτα ἓν ἢ μία κεραία, iōta hen ē mia keraia) vom Gesetz vergehen" (Mt 5,18). Das „iota" entspricht dem hebräischen י (yod), „keraia" dem kleinsten Strich – Jesus betont Genauigkeit bis in kleinste Zeichen.

In der Auseinandersetzung mit den Sadduzäern beruft er sich auf die Zeitform eines einzelnen Verbs, um die Auferstehung zu beweisen (Ex 3,6 in Mt 22,31–32: „Ich bin der Gott Abrahams ..."). Grammatik wird theologisch entscheidend.

Diese Aussagen setzen voraus, dass die Schrift in jeder Hinsicht wahrhaftig und zuverlässig ist. Für Jesus ist das, was die Schrift sagt, das, was Gott sagt.

3. „Gott spricht in der Schrift" – Gleichsetzung von Schriftwort und Gotteswort
Jesus macht wiederholt deutlich, dass in der Schrift Gott selbst spricht:

„Habt ihr nicht gelesen, was euch von Gott gesagt ist?" (Mt 22,31) – obwohl das Zitat aus Mose stammt, ist es „von Gott gesagt".

„Ihr hebt das Wort Gottes (τὸν λόγον τοῦ θεοῦ, ton logon tou theou) auf durch eure Überlieferung" (Mk 7,13). Schrift ist „Wort Gottes" – Tradition darf es nicht neutralisieren.

4. Kanonisches Selbstverständnis: Gesetz, Propheten, Psalmen – von Abel bis Secharja
In Lk 24,44 nennt Jesus die dreifache Einteilung der hebräischen Bibel: „Gesetz des Mose" (תּוֹרָה, Torah), „Propheten" (נְבִיאִים, Nevi'im) und „Psalmen/Schriften" (כְּתוּבִים, Ketuvim). In Mt 23,35 spricht er vom Blut Abels (Gen 4) bis Secharja – eine Formulierung, die den Rahmen „Genesis bis Chronik" markiert (in der jüdischen Kanonordnung steht Chronik am Ende). Damit bestätigt Jesus implizit Umfang und Autorität des alttestamentlichen Kanons.

5. Jesu Schriftgebrauch in ethischen und theologischen Streitfragen
Jesus behandelt die Schrift als letzte Norm (norma normans):

a) Versuchung in der Wüste (Mt 4,1–11; Lk 4,1–13). Dreimal antwortet er mit „Es steht geschrieben" (γέγραπται) und zitiert aus Dtn 6–8. Er widersteht dem Satan nicht mit Erfahrung oder Logik allein, sondern mit dem geoffenbarten Wort.

b) Ehe/Schöpfungsordnung (Mt 19,3–9; Mk 10,2–9). Er argumentiert aus Gen 1–2 („von Anfang an", ἀπ' ἀρχῆς) und begründet Ethik aus Schöpfungshistorie. Für Jesus ist Genesis Geschichte mit normativer Kraft.

c) Auferstehung (Mt 22,23–33). Aus Ex 3,6 (d.h. aus der Tora, die die Sadduzäer anerkannten) leitet er die Auferstehung ab – feinste grammatische Beobachtung trägt Lehrwahrheit.

d) Sabbat/Tempelreinigung (Mt 12; Mt 21,13). Er interpretiert Gen 2, Hosea 6,6 („Ich will Barmherzigkeit, nicht Opfer"), Jes 56,7 und Jer 7,11 – die Schrift richtet den kultischen und moralischen Gottesdienst aus.

e) Tradition vs. Gebot (Mk 7,1–13). Jesus weist menschliche Tradition zurück, wo sie Gottes Gebot neutralisiert – die Hierarchie ist klar: Schrift > Tradition.

6. Jesu messianische Selbstbezeugung „gemäß den Schriften"
Jesu Identität und Auftrag werden durch „Erfüllung" (πληρόω, plēróō) geprägt:

a) Programmatische Antrittspredigt (Lk 4,16–21). Er liest Jes 61,1–2, wendet es auf sich an („Heute ist diese Schrift erfüllt").
Textkritischer Hinweis: In Lk 4,18 enthalten viele byzantinische Zeugen (RP/TR) den Satzteil „zu heilen, die zerbrochenen Herzens sind" (καὶ ἰάσασθαι τοὺς συντετριμμένους τῇ καρδίᾳ), der in NA28 fehlt. Unabhängig von der Variante ist die Hauptaussage unberührt: Jesus identifiziert sich als der Gesalbte, auf dem der Geist ruht, der die Heilszeit bringt.

b) Leidens- und Auferstehungsnotwendigkeit (Lk 24,25–27.44–47). „Musste (δεῖ) der Christus das nicht leiden und in seine Herrlichkeit eingehen?" Jesus legt „bei Mose und allen Propheten" aus, „was in allen Schriften über ihn steht". Sein Weg ans Kreuz ist Schriftgebot, nicht bloß Tragik.

c) Konkrete Erfüllungen.
– Einzug (Sach 9,9; Mt 21,4–5).
– Hirtenschlag (Sach 13,7; Mt 26,31).
– „Unter die Gesetzlosen gerechnet" (Jes 53,12; Lk 22,37).
– Psalm 22 am Kreuz (Mt 27,46; Ps 22,2 [hebr. 22,1]).
– „Eifer um dein Haus" (Ps 69,10; Joh 2,17).
Jesus beansprucht ausdrücklich, der Messias der Propheten zu sein (vgl. Joh 5,39.45–47: „Wenn ihr Mose glaubtet, würdet ihr mir glauben; denn er hat von mir geschrieben").

7. Typologie und heilsgeschichtliches Lesen
Jesus liest die Schrift heilsgeschichtlich und typologisch, ohne den wörtlich-historischen Sinn zu negieren:

Jonah als Vorausbild seines Todes/Auferstehens (Mt 12,39–41). „Größer als Jona ist hier" – Typus (יוֹנָה, Yonah) erfüllt sich im Antitypus.

Manna/Passa/Tempel: Er deutet Manna (Ex 16) christologisch (Joh 6), das Passa (Ex 12) auf sein Opfer, den Tempel auf seinen Leib (Joh 2,19–21).

Schlange in der Wüste (Num 21,9) als Vorausbild der Erhöhung des Menschensohns (Joh 3,14–15).

8. Inspiration bis ins Detail: Wörter, Zeiten, Buchstaben
Jesu Argumentationen beruhen oft auf „Kleinigkeiten", was seine Sicht auf Verbalinspiration erkennen lässt:

Zeitform (Mt 22,32; Ex 3,6 LXX: ἐγώ εἰμι, „ich bin").

Einzelwort (Joh 10,34–36 aus Ps 82,6: „Götter" – θεοί – in forensischer, richterlicher Funktion).

Buchstabenstriche (Mt 5,18: י (yod), κεραία).

„Es steht geschrieben" (γέγραπται, Perfekt) – die bleibende Geltung des geschriebenen Wortes.

9. Historische Zuverlässigkeit: Jesus bestätigt die Historizität des AT
Jesus verweist auf Noach (נֹחַ; Mt 24,37–39), Abel (הֶבֶל; Lk 11,51), Sodom und Gomorra (Lk 10,12), Lot's Frau (Lk 17,32), Jona (Mt 12,40–41), Mose und den Dornbusch (Mk 12,26) und Daniel (Mt 24,15) als reale Personen/Ereignisse. Er spricht David die Autorenschaft von Ps 110 zu und betont, dass David „im Heiligen Geist" redete (ἐν πνεύματι ἁγίῳ; Mk 12,36). Jesu Umgang mit diesen Texten setzt die historische Verlässlichkeit des AT voraus und bestätigt sie zugleich.

10. Gesetz und Erfüllung (Mt 5,17–20): Kein Abbruch, sondern Zielerreichung
„Ich bin nicht gekommen aufzulösen (καταλῦσαι), sondern zu erfüllen (πληρῶσαι)." Erfüllung bedeutet nicht Entwertung, sondern Vollendung und Offenlegung des eigentlichen Sinns. In den Antithesen („Ihr habt gehört ... ich aber sage euch") radikalisiert er nicht gegen Mose, sondern legt die wahre Tiefe des Gesetzes offen (Herz, Motivation, Ganzhingabe). Die bleibende Geltung des göttlichen Willens wird nicht geschwächt, sondern bestätigt und in Christus konkretisiert.

11. Sprachliche und kanonische Feinheiten
„Schrift" (ἡ γραφή, hē graphē / αἱ γραφαί, hai graphai) erscheint bei Jesus als feststehender Autoritätsbegriff, häufig im Perfekt „γέγραπται" („es steht geschrieben").

„Gesetz" (νόμος, nomos) kann eng die Tora oder weit den ganzen Kanon bezeichnen (Joh 10,34; Zitat aus Ps 82 zeigt: „Gesetz" = gesamte Schrift).

Hebräische Dreiteilung (Torah–Nevi'im–Ketuvim) in Lk 24,44 bestätigt die Struktur des jüdischen Kanons.

LXX/MT-Frage: Jesu Zitate folgen oft der Septuaginta (griech. Übersetzung), teils paraphrasiert er. Entscheidend für ihn ist der gottgewollte Sinn des Textes. Wo griechische und hebräische Formulierungen differieren, behandelt Jesus beide nicht konkurrierend, sondern dient sich des anerkannten Schriftwortes an, um Gottes Willen klarzumachen. (Für unsere Lehre: Autorität liegt in dem von Gott intendierten Inhalt, den die Kirche in der kanonischen Schrift empfängt.)

12. Einwände und Kurzantworten
Mark 2,26 („unter Abiathar") vs. 1Sam 21: Jesus widerspricht der Schrift nicht; die Wendung kann „in der Zeit des Abiathar" bedeuten (ein bekannterer Hoherpriester der David-Zeit). Der Punkt Jesu bleibt: Barmherzigkeit und Lebensschutz entsprechen dem Schöpfungssinn des Sabbats.

„Von Abel bis Secharja" (Mt 23,35): Die Identifikation des Secharja ist diskutiert; die Hauptaussage – der gesamte Kanon bezeugt Israels Umgang mit Gottes Boten – bleibt klar erkennbar.

13. Konsequenz: Wer Jesus folgt, übernimmt seine Bibliologie
Wenn Jesus der messianische Sohn Gottes ist und ohne Sünde die Wahrheit redet, dann ist seine Sicht der Schrift normativ für Jünger. Er hält die Schrift für göttlich, unfehlbar, maßgebend und zielgerichtet auf ihn. Christliche Nachfolge ohne hohe Schriftansicht wäre ein Widerspruch zu Jesu eigener Lehre. Die historische Zuverlässigkeit des Alten Testaments ist für ihn nicht Randfrage, sondern Fundament seiner Sendung.

14. Leitverse (mit kurzen Sprachhinweisen) für die Vertiefung
Joh 10,35: ἡ γραφὴ οὐ δύναται λυθῆναι (die Schrift kann nicht gelöst/aufgehoben werden).

Mt 5,18: ἰῶτα / κεραία (kleinster Buchstabe/Strichlein).

Lk 24,44–47: νόμος–προφῆται–ψαλμοί; δεῖ (Muss-Notwendigkeit der Erfüllung).

Mt 22,31–32: „gesprochen zu euch von Gott" – göttliche Stimme in Schrift.

Mk 12,36: Δαυίδ ... ἐν πνεύματι ἁγίῳ (David im Heiligen Geist).

Joh 5,39.46: ἐραυνᾶτε τὰς γραφάς (forscht in den Schriften); „Mose hat von mir geschrieben."

15. Vorschlag für die Weiterarbeit 
Textbetrachtung: Lk 24,13–35 (Emmaus) – bitte den Herrn, „den Sinn zu öffnen" (διήνοιξεν τὸν νοῦν; vgl. Lk 24,45) und markiere, wie Jesus von Mose/Propheten auf sich zeigt.

Gehorsamsfelder: Mk 7,1–13; Mt 19,3–9 – Wo korrigiert die Schrift unsere Traditionen und Wünsche?

Trostquellen: Ps 22 mit den Evangelien – wie gibt die Schrift dem leidenden Messias und seinen Jüngern Sprache und Hoffnung?

Bekenntnis: Formuliere ein persönliches „Heute ist diese Schrift erfüllt" (Lk 4,21) – Wo erlebst du, dass Christus das Schriftwort an dir vollzieht?

One of Israel

Antworten

nusskeks

33, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 512

Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 12.08.2025 08:47

Lieber Suchender,


mich bewegt, dass du einerseits so klar bekennst, zu Jesus Christus zu gehören, und andererseits mit Misstrauen auf manche seiner Zeugen blickst. Das ist keine Kleinigkeit – und ich glaube, dass dein Wunsch nach Klarheit und Wahrheit Gott wichtig ist.

Manchmal ist es hilfreich, sich daran zu erinnern, dass Jesus selbst seinen Aposteln den Auftrag gegeben hat, von ihm zu zeugen (Joh 15,27; 17,20) – und dass die ersten Christen diese Zeugnisse nicht leichtfertig angenommen haben, sondern prüften, ob sie aus erster Hand und in Übereinstimmung mit der Botschaft des Herrn standen. Dass Lukas oder Paulus nach Jesu Himmelfahrt in den Vordergrund traten, heißt nicht, dass sie „später erfunden" wurden. Die frühe Gemeinde hat ihre Berufung und ihr Zeugnis bestätigt (Gal 2,9).

Vielleicht hilft dir der Gedanke, dass Gott Menschen gerade in ihrer Unterschiedlichkeit gebraucht: Lukas als sorgfältigen Historiker, Paulus als kompromisslosen Verkündiger der Gnade. Sie widersprechen einander nicht im Kern, sondern bezeugen denselben Herrn aus verschiedenen Blickwinkeln.

Ich möchte dich ermutigen, die Bibel nicht mit der Haltung „Was kann ich streichen?" zu lesen, sondern mit der Frage: „Was will Gott mir hier über Jesus zeigen?" Wenn Christus selbst dich schon gefunden hat, dann wird er dir auch helfen, seinem Wort – und denen, die er als Zeugen berufen hat – wieder mehr zu vertrauen. 

gruß
nk

One of Israel

Antworten

nusskeks

33, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 512

Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 12.08.2025 08:40

Hallo Suchender,


danke für deine sorgfältige Rückmeldung – ich greife nur die Kernpunkte auf und halte mich kurz.

1) „Hörten ... / hörten nicht" (Apg 9,7 vs. 22,9)
Du hast recht: Genitiv/Akkusativ bei ἀκούω ist keine eiserne Regel. Aber genau deshalb muss der Kontext entscheiden. In Apg 26,14 ergänzt Paulus ein Detail, das die Differenz erklärt: Die Stimme sprach „in hebräischer Sprache". Zusammengenommen ergibt sich ein stimmiges Bild: Die Begleiter nahmen etwas akustisch wahr (Genitiv in 9,7), erfassten aber die an Paulus gerichtete Rede nicht (Akkusativ-Verneinung in 22,9). Dass Lukas in der Verteidigungsrede (22) den Fokus auf die Nicht-Erfassung der an Paulus gerichteten Stimme legt, ist rhetorisch plausibel – es bleibt kein zwingender Widerspruch, sondern unterschiedliche Zuspitzung derselben Szene. Deine Einwände kenne ich; sie zeigen, dass die Kasus-Nuance nicht allein trägt – mit 26,14 jedoch ist sie textimmanent erklärbar.

2) „Sie sahen niemanden" vs. „sie sahen das Licht"
In 9,7 bezieht sich „sahen niemanden" auf die Begleiter; 22,9 sagt über dieselben: „das Licht sahen sie." Person sah niemand – Licht sahen sie wohl. Das ist kompatibel: eine überwältigende Theophanie ohne sichtbare Person für die Begleiter, während Paulus selbst bezeugt, den Herrn gesehen zu haben (vgl. 1Kor 9,1; Apg 26,16–19). Aus „Licht = Erscheinung" folgt nicht, dass „niemand sehen" das Licht ausschließen müsste.

3) „Ich fiel" vs. „Wir alle fielen"
Apg 9 und 22 fokussieren narrativ bzw. in der Ich-Rede Paulus; 26,14 liefert die zusätzliche Gruppenangabe („als wir alle zu Boden gefallen waren"). Selektive Perspektive ist kein Widerspruch, sondern normale Erzählökonomie (Redeauszüge vs. Erzählerbericht). Der Kriminalistik-Vergleich greift hier zu kurz, weil Redewiedergaben in der Antike bewusst pointieren.

4) „Paulus erwähnt die Blindheit nicht"
Argumente ex silentio bleiben schwach. Paulus meidet es, mit „Erlebniskapiteln" zu werben (vgl. 2Kor 12,1–10); er verweist stattdessen auf die Offenbarung Christi (Gal 1,15–16). Dass er die Blindheit nicht nennt, erklärt die Sache nicht weg – aber es stützt auch nicht die These, Lukas habe frei „dramatisiert".

5) Hellenistische Topoi vs. biblische Theophanie
Das Licht-Motiv ist innerbiblisch verankert (Dan 10,7; Hes 1; Hab 3,4). Eine reale Theophanie kann sich symbolisch „sprechen"; Symbolik ersetzt historische Plausibilität nicht – sie deutet sie. Lukas' Präambel (Lk 1,1–4) beansprucht historische Sorgfalt, und viele externe Details in Lk/Apg sind wiederholt bestätigt worden. Das heißt nicht „Mythos nach Drehbuch", sondern Theologie in Geschichte. Deine Verallgemeinerung (AT-Vision = unhistorisch; „nur Kreationisten...") führt vom Thema weg und setzt Prämissen, die der Text selbst nicht setzt.

Kurz gesagt: Liest man Apg 9/22 mit 26,14 zusammen, lösen sich die harten Widerspruchs-Kanten: (a) akustische Wahrnehmung vs. inhaltliches Erfassen, (b) Licht ohne sichtbare Person für die Begleiter, (c) perspektivische Kürze vs. gruppenbezogene Ergänzung. Das ist keine „rettende Spitzfindigkeit", sondern binnentextliche Kohärenz.

Mir ist wichtig (und das schreibe ich ausdrücklich), nicht nur geistlich, sondern auch historisch Vertrauen zu stärken: Lukas will verlässlich berichten; die drei Fassungen sind komplementär, nicht konkurrierend.

gruß
nk

One of Israel

Antworten

nusskeks

33, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 512

Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 11.08.2025 20:06

Hallo pray,


pray: Ich habe ja leider immer so wenig Zeit aber ich wollte lieber Nusskeks dich mal auf Johannes 12, 28-29 hinweisen, vielleicht siehst du da auch eine Erklärung die du dann weiter ausführen könntest.

Danke Dir. Mir fiel tatsächlich noch jede Menge ein. Allerdings weiß ich mittlerweile nicht, ob User Suchender überhaupt ein Wissensproblem hat. Es liest sich eher wie ein Vertrauensproblem. Wissenslücken kann man schließen. Vertrauen hingegen muss man erfahren und sich schenken lassen. Da sind auch viele Worte oft nicht hilfreich. Jesus zum Beispiel und alle gläubigen Menschen des Neuen Testaments zitieren mit großer Selbstverständlichkeit aus dem Alten Testament, ohne jede Zweifel, ohne es als Mythos oder Märchen zu deklarieren. Jesus legte seinen Jüngern gar das ganze Alte Testament aus und zeigte ihnen, wo überall von ihm die Rede sei. Wenn Jesus das tut... können wir das auch. Allerdings stehen wir oft da und sagen Sätze wie "Jesus kommt im Alten Testament doch gar nicht vor." 

pray: Der Autor, der eingangs für die Auslegung der Bibel erwähnt wurde und für gut befunden wurde den habe ich irgendwie in negativer Erinnerung. Ich habe eben mal ganz kurz gelesen und soweit ich das richtig gesehen habe, leugnet der ja sogar die Hölle.

Herrn Drewermann habe ich absichtlich nicht aufgegriffen. Er und sein Wirken sind mir aber natürlich ein Begriff. Es erschien mir jedoch nicht hilfreich, dieses Thema auch noch zu eröffnen.

gruß
nk

One of Israel

Antworten

nusskeks

33, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 512

Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 11.08.2025 14:34

Hallo Suchender,


es freut mich aufrichtig zu lesen, dass dein Vertrauen in Jesus Christus selbst unerschütterlich ist und du ihn als deinen Retter kennst. Das ist das Fundament, auf dem alles steht – und es verbindet uns trotz unterschiedlicher Sichtweisen auf einzelne Fragen.


Gerade weil du Christus kennst, möchte ich dir ans Herz legen, in deiner Einschätzung der biblischen Zeugen sehr vorsichtig zu sein. Die Männer, deren Glaubwürdigkeit du in Frage stellst – Paulus, Lukas, Timotheus, Barnabas – sind im Neuen Testament nicht isolierte Selbstdarsteller, sondern durchgängig in den Zusammenhang der ersten Gemeinden und Augenzeugen eingebunden:

Paulus begegnet Kephas (Petrus) und Jakobus (Gal 1,18–19) und erhält öffentlich „die rechte Hand der Gemeinschaft" von den Jerusalemer Säulen (Gal 2,9).

Lukas schreibt sein Evangelium ausdrücklich auf Grundlage von Augenzeugen (Lk 1,1–4) und wurde in der alten Kirche als verlässlicher Historiker geschätzt – viele seiner Orts-, Personen- und Amtsbezeichnungen sind durch externe Quellen bestätigt.

Barnabas wird in Apg 4,36–37 als Teil der Jerusalemer Gemeinde vorgestellt, lange bevor er Paulus' Begleiter wird.

Dass einzelne Schriften damals diskutiert wurden, ist kein Beweis gegen ihre Inspiration – eher umgekehrt: Die frühe Kirche prüfte sorgfältig, ob eine Schrift apostolisch, inhaltlich übereinstimmend und in den Gemeinden weit verbreitet war.

Ich glaube, dass „Spreu vom Weizen trennen" beim Wort Gottes nicht bedeutet, dass wir nach subjektiver Sympathie für den Autor filtern, sondern dass wir lernen, die Botschaft im Licht der ganzen Schrift zu verstehen. Wenn Jesus selbst den Schriften des Alten Testaments höchste Autorität gibt (Joh 10,35: „Die Schrift kann nicht gebrochen werden") und seine Apostel als von ihm Gesandte bestätigt (Joh 17,20; Apg 9,15), dann sollte uns das zu Vertrauen ermutigen – auch wenn einzelne Stellen uns vor Fragen stellen.

Mein Vorschlag: Lies die Paulusbriefe und die Apostelgeschichte noch einmal mit dem Blick darauf, wie sehr sie auf Christus zentriert sind. Du wirst vielleicht überrascht sein, wie wenig sie sich selbst ins Zentrum stellen – und wie sehr sie stattdessen Jesus bezeugen.

gruß
nk

One of Israel

Antworten

nusskeks

33, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 512

Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 11.08.2025 07:54

Gute Antwort, und viel kürzer als meine! Sehr gut. 

gruß
nk

One of Israel

Antworten

nusskeks

33, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 512

Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 11.08.2025 07:31

Fortsetzung...

Zur Kanonfrage: Die Kirche hat die Schriften nicht erfunden, sondern das empfangene apostolische Zeugnis unterschieden und bezeugt. Schon im NT selbst sehen wir das Miteinander der Zeugen (Apg 15; Gal 2). Die späteren Konzilien haben bestätigt, was die Gemeinden weithin schon lasen; sie haben nicht per Mehrheitsbeschluss eine neue Autorität geschaffen. Dass einzelne Schriften (z. B. 2Petr) länger diskutiert wurden, ist kein Zeichen gegen, sondern für die Sorgfalt der frühen Christen. „Klerus statt Gott" trifft nicht, wenn man bedenkt, dass der Kanon nach dem Kriterium apostolischer Herkunft, übereinstimmender Lehre und kirchlicher Rezeption erkannt wurde – nicht nach politischer Nützlichkeit.

Bleibt die Grundfrage nach „Wahrheit vs. literarischer Gestaltung". Die Bibel ist kein steriles Protokoll, aber sie ist darum nicht weniger wahr. Wahrheit in biblischem Sinn heißt: treue, verlässliche Übereinstimmung mit Gottes Reden und Handeln in Raum und Zeit. Unterschiede in Perspektive, Auswahl und Fokus – besonders in Redewiedergaben – sind in der antiken Geschichtsschreibung normal und theologisch funktional, ohne den Kern zu relativieren. Genau dieser Kern ist in allen drei Damaskusberichten identisch: Der auferstandene Jesus begegnet Paulus, offenbart sich, beauftragt ihn – und dieses Ereignis erklärt den radikal veränderten Kurs eines Pharisäers, der Christus zuvor verfolgte.

Ich respektiere, wenn dich das noch nicht sofort überzeugt. Aber ich denke, die binnenskripturale Evidenz (was für ein Wort...) trägt das Gewicht der Einwände: (1) die sprachliche Differenz Genitiv/Akkusativ im Licht von Apg 26,14 (hebräische Sprache), (2) die Kompatibilität der Seh-/Fall-Details durch Fokusverschiebung, (3) die alttestamentliche Theophanie-Matrix (auch so ein Wort...) für Licht/Überwältigung statt bloß hellenistischem Topos, (4) die eigene Bestätigung des Paulus über die Gemeinschaft mit Kephas/ Jakobus (Gal 2,9). Damit verlieren die „strukturellen Widersprüche" ihren Zwangscharakter.

Mein Rat wäre: nicht selektiv „glaubwürdig" vs. „unglaubwürdig" aussortieren, sondern die Texte in ihrer eigenen Gattung, Sprache und heilsgeschichtlichen Logik lesen. Außerdem ist es immer wichtig, sich in die hebräische Kultur der damaligen Zeit einzufühlen. Wer das tut, findet – gerade in der Spannung zwischen verschiedenen Blickwinkeln – eine robuste, tragfähige Wahrheit: Gott hat in Christus gehandelt, und die Zeugen berichten verlässlich davon. Ein Grundvertrauen in die Bibel wäre natürlich auch nicht verkehrt.

gruß
nk

p.s.: Wir sollten uns wirklich kürzer fassen.

One of Israel

Antworten

nusskeks

33, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 512

Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 11.08.2025 07:25

Hallo Suchender,

meine Antwort jetzt könnte etwas lang werden. Falls dem so ist, teile Deine Reaktion darauf bitte auf, dann kann sich auch meine Antwort beschränken.

Zunächst einmal danke für deine ehrliche und hartnäckige Nachfrage. Ich nehme deine Bedenken ernst – gerade, weil Vertrauen hier nicht „gegen den Verstand", sondern mit Herz und Verstand gesucht wird.

Zuerst zur vermeintlichen Gegensatzformel „hörten die Stimme / hörten die Stimme nicht". In Apg 9,7 steht: „... ἀκούοντες μὲν τῆς φωνῆς, μηδένα δὲ θεωροῦντες" (akúontes men tēs phōnēs – Genitiv). In Apg 22,9 heißt es: „... τὴν δὲ φωνὴν οὐκ ἤκουσαν τοῦ λαλοῦντός μοι" (tēn de phōnēn ouk ḗkousan tou lalountos moi – Akkusativ). Der Wechsel ist nicht Kosmetik: In der Koine bezeichnet ἀκούω (akoúō) mit Genitiv oft das Hören eines Lautes/Geräusches, mit Akkusativ hingegen das Erfassen der Stimme als sprachlich-inhaltliche Rede. Entscheidend ist, dass Lukas uns in Apg 26,14 die fehlende Verständlichkeit zusätzlich erklärt: Die Stimme sprach „τῇ Ἑβραΐδι διαλέκτῳ" (tē Hebraïdi dialektō – „in hebräischer Sprache"). Das schafft eine schlichte, kontextinterne Auflösung: Die Begleiter hörten etwas (Apg 9,7 – Genitiv), sahen aber niemand; sie verstanden die an Paulus gerichtete Rede nicht (Apg 22,9 – Akkusativ), weil sie (anders als Paulus) die hebräische Ansprache nicht erfassten. Dass Lukas ausdrücklich die hebräische Sprache erwähnt, ist für genau diesen Punkt der Schlüssel – und macht klar, warum dieselbe Szene aus unterschiedlichen Blickwinkeln (Erzählerbericht / Paulus-Rede) verschieden formuliert sein kann, ohne sich zu widersprechen.

Zum „Licht sehen / nichts sehen": Apg 22,9 sagt, die Begleiter sahen das Licht, Apg 9,7, sie sahen niemanden. Das ist kompatibel: Sie nahmen die Erscheinung (Licht) wahr, ohne eine Person zu sehen. Ebenso „fiel ich zu Boden" (Apg 22,7) vs. „wir alle fielen" (Apg 26,14): 9 und 22 fokussieren Paulus, 26 erweitert den Blick auf die Gruppe; das ist selektive, nicht kontradiktorische Erzählökonomie.

Die Frage, warum Paulus die zeitweilige Blindheit in seinen Briefen nicht erwähnt, ist verständlich. Aber seine Briefe sind Gelegenheitsbriefe – keine Autobiografie. Wo er sein Damaskuserlebnis ins Spiel bringt, tut er es zweckbezogen: „...es gefiel Gott, seinen Sohn in mir zu offenbaren" (Gal 1,15–16), „habe ich nicht Jesus, unseren Herrn, gesehen?" (1Kor 9,1), „der himmlischen Erscheinung war ich nicht ungehorsam" (Apg 26,19 – in eigener Rede). Die Blindheit ist für Lukas theologisch sprechend (vom Blind-Sein zum Sehen), für Paulus' jeweilige Argumentation aber nicht notwendig. Ein Argument ex silentio bleibt schwach – gerade, weil Paulus auch viele andere Details aus Apg nicht (noch einmal) schildert.

Zum Einwand „hellenistische Topoi (Licht → Blindheit → Erkenntnis) = literarische Konstruktion": Dass ein Motiv kulturell anschlussfähig ist, macht ein Ereignis nicht unecht. Wichtig ist zudem: Die Formgebung der Damaskuserzählung ist innerbiblisch tief verankert – weniger im griechischen Mythos als in jüdischer Theophanie-Sprache. Denke an Daniel 10,7: „Die Männer, die mit mir waren, sahen die Erscheinung nicht, doch ein großer Schrecken fiel auf sie..." (hebr.: hā'ănāšīm... lōʾ rāʾû, LXX: „οἱ ἄνδρες... οὐκ εἶδον τὴν ὅρασιν"). Oder an Hesekiel 1 (überwältigender Glanz), Habakuk 3,4 („Glanz [hebr. קָרֶן qāren] wie das Licht"), 2Mo 34 (Moses Angesicht strahlt), Apg 26,13–14 („Licht heller als die Sonne", hebräische Ansprache). Das Muster „Herrlichkeit = Licht = Überwältigung der Sinne" ist alttestamentlich. Lukas beschreibt nicht ein „griechisches Drehbuch", sondern eine Christus-Theophanie in Kategorien jüdischer Offenbarung.

„Nur ein Autor, kein Zeugenplural" – das greift zu kurz. Lukas schreibt als Historiker und Kompilator und lässt Paulus selbst zweimal reden (Apg 22; 26). Außerdem führt er Ananias als zweiten Augenzeugen ein (Apg 9,10–17; 22,12–16). Dass ein Autor mehrere Reden eines Zeitzeugen zusammenstellt, entkräftet nicht die Zeugenschaft; es zeigt, dass ein und derselbe Zeuge seine Geschichte kontextsensibel erzählt (vor Juden in Jerusalem; vor Agrippa; im narrativen Bericht). So funktionierte antike Historiografie regelmäßig – und Lukas sagt selbst, er habe „allem von Anfang an genau nachgegangen" (Lk 1,3).

Zur behaupteten „Gemeinschaft mit den Jüngern, die nie bestätigt wird": Paulus schildert ausdrücklich seine Begegnung mit Kephas und Jakobus (Gal 1,18–19) und berichtet, dass Jakobus, Kephas und Johannes ihm und Barnabas „die rechte Hand der Gemeinschaft gaben" (Gal 2,9; griech. „δεξιὰς ἔδωκαν... κοινωνίας", dexiàs édōkan... koinōnías). Das ist nicht Lukas, sondern Paulus selbst – und es ist genau die Bestätigung, nach der gefragt wird.

Puh...es wird echt lang....

Zum Vorwurf „Paulus grenzt Homosexuelle aus, Jesus schweigt": Jesus bindet die Sexualethik an die Schöpfungsordnung („männlich und weiblich", 1Mo 1–2) und nennt als moralisch verwerflich zusammengefasst πορνεία (porneía, „Unzucht" – Mt 19,4–6; Mk 7,21–23). Paulus steht nicht quer zu Jesus, sondern entfaltet dieselbe Tora-basierte Ethik im Heidenkontext. In 1Kor 6,9–11 nennt er u. a. ἀρσενοκοῖται (arsenokoîtai) – ein Lehnwort aus der LXX-Formulierung von Lev 20,13 (διὰ „ἄρσενος κοίτην"), also direkte Rückbindung an die Tora. Wichtig ist der Zielsatz: „Und solches sind etliche von euch gewesen; aber ihr seid gewaschen..." (1Kor 6,11). Das ist kein „Ausgrenzen der Person", sondern eine Einladung zur Umkehr – so wie gegenüber allen genannten Sünden. Das Neue Testament verfolgt konsequent das Doppelziel von Wahrheit und Gnade.

Ich mache mal hier einen Cut und fahre in einem weiteren Beitrag fort....

One of Israel

Antworten

nusskeks

33, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 512

Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 10.08.2025 21:51

Hoi Suchender,

danke für deine Rückmeldung – ich finde es gut, dass du nicht vorschnell zufrieden bist, sondern die Texte genau prüfst.


1. Genitiv und Akkusativ
In Apg 9,7 steht im Griechischen: ἀκούοντες μὲν τῆς φωνῆς – Genitiv; in Apg 22,9 dagegen: τὴν δὲ φωνὴν οὐκ ἤκουσαν – Akkusativ.
Diese Unterscheidung ist im Neuen Testament nicht willkürlich: Der Genitiv wird häufig verwendet, wenn das Hören den Laut betrifft, ohne dass der Inhalt verstanden wird (vgl. Joh 3,8; Offb 3,20), der Akkusativ dagegen, wenn das Hören den Inhalt erfasst (vgl. Joh 5,25).
Das erklärt, wie Lukas dieselbe Szene unterschiedlich formulieren kann, ohne dass sich die Aussagen widersprechen: Die Begleiter hörten den Laut (Apg 9), verstanden aber die Worte nicht (Apg 22).

2. „Zentrales Element" oder „Nebendetail"?
Ich verstehe, dass du die Punkte nicht als Nebensache empfindest. Historisch betrachtet ist aber der Kern der Berufungserzählung in allen drei Berichten derselbe: Paulus begegnet dem auferstandenen Jesus Christus, fällt zu Boden, hört eine Stimme, erhält einen Auftrag. Licht und Blindheit sind zwar wichtige dramatische Elemente, aber nicht der entscheidende Punkt der Berufung – der liegt in der Offenbarung Christi.

3. Warum erwähnt Paulus selbst die Blindheit nicht?
Paulus schreibt seine Briefe in sehr konkreten, oft seelsorgerlich- oder lehrbezogenen Zusammenhängen. Er erzählt seine Bekehrung nirgends in vollem Detail, weder in Gal 1 noch Phil 3 noch 1. Tim 1. Dass er die Blindheit nicht erwähnt, heißt nicht, dass sie nicht geschah – er lässt einfach das aus, was für seine jeweilige Argumentation nicht nötig ist.

4. Literarische Topoi
Ja, das Motiv „blendendes Licht → Blindheit → Erkenntnis" gibt es in der hellenistischen Literatur. Aber zwei Dinge sind wichtig:

-> Erstens schließt ein bekanntes Motiv nicht aus, dass ein reales Ereignis diesen Ablauf hatte. Ähnliche Elemente finden sich z. B. auch in der Geschichtsschreibung von Josephus, ohne dass er deshalb Märchen erzählt.

-> Zweitens spricht nichts dagegen, dass Gott ein Ereignis so gestaltet, dass es kulturell verständlich ist. Lukas könnte das Paulus-Erlebnis realistisch berichten, und gleichzeitig erkennen seine Leser die symbolische Bedeutung: Blind für die alte Sicht, sehend für Christus.

5. Vertrauen in Lukas
Dass Lukas drei Fassungen bringt, ist kein Indiz für literarische Erfindung, sondern für redaktionelle Sorgfalt: Er zeigt, wie Paulus seine Berufung jeweils vor unterschiedlichen Zuhörern schildert. Das ist historisch plausibel – und entspricht dem, was wir auch heute kennen: dieselbe Geschichte, an unterschiedliche Hörerschaften angepasst.

Ich denke daher, wir haben es weder mit absichtlicher Geschichtskonstruktion noch mit einer unzuverlässigen Quelle zu tun, sondern mit einem inspirierten Autor, der Gottes Handeln in einer Weise beschreibt, die sowohl historisch verankert als auch theologisch tief ist.

gruß
nk

One of Israel

Antworten
1  |  2  |  3  |  4  |  5  |  6  ...  52  |  »  |  Letzte

« zurück zur vorherigen Seite