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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?
von nusskeks am 13.08.2025 19:20Lieber Suchender,
vielen Dank, dass du so offen teilst, was dein Pfarrer dir gesagt hat und wie dich das beschäftigt. Ich kann gut verstehen, dass dich so eine Aussage zunächst ernüchtert. Wenn man bisher davon ausging, dass jede biblische Szene so überliefert ist, wie sie tatsächlich geschah, und dann hört, dass angeblich „Realität und Fiktion" gemischt seien, kann das wie ein Schlag ins Gesicht wirken.
1) „Viele unbekannte Hände – Mischung aus Realität und Fiktion?"
Diese Erklärung wirkt zunächst plausibel, passt aber weder zum Selbstzeugnis der Schrift noch zur inneren Evidenz von Lukas–Apostelgeschichte. Schon Apg 1,1–3 knüpft ausdrücklich an das „erste Buch" an (Lk 1,1–4) – dieselbe Adressatenschaft, derselbe Stil, dieselbe Zielsetzung: sorgfältige Erkundung und geordnete Darstellung. Dazu kommen die Wir-Abschnitte (z. B. Apg 16; 20–21; 27–28), die auf Augenzeugennähe hindeuten. Das Bild, eine Schrift sei „durch viele Hände" frei ausgeschmückt worden, erklärt weder die literarische Geschlossenheit noch die zahlreichen präzisen Sachdetails (Titel, Orte, Reisewege), die gerade Lukas/Apg kennzeichnen. Selbst wo es Textformen gibt (wie bei manchen Handschriften), reden wir von Varianten, nicht von einem Mosaik aus Fiktion und Realität.
2) Die drei Damaskus-Berichte
Die Spannungen lassen sich binnentextlich plausibel erklären, ohne zu Fiktion zu greifen:
– „Hören / nicht hören": Apg 26,14 ergänzt die hebräische Sprache; die Begleiter nahmen etwas akustisch wahr (Apg 9,7), verstanden aber die an Paulus gerichtete Rede nicht (Apg 22,9).
– „Licht sehen / niemand sehen": Die Begleiter sahen kein Personensubjekt (9,7), wohl aber das Licht (22,9).
– „Ich fiel / wir alle fielen": 9 und 22 fokussieren Paulus, 26 weitet den Blick auf die Gruppe.
Das ist Perspektive und Fokus, nicht Absicht zur Dramatisierung.
3) Bibelkritik – Prüfauftrag ja, Grundmisstrauen nein
„Prüft alles, das Gute behaltet" (1Thess 5,21) ist keine Einladung, die Schrift unter das Primat des Misstrauens zu stellen. Genau davor warnen Autoren, die die historisch-kritische Schule von innen kennen und später bewusst auf das biblische Selbstverständnis zurückgekehrt sind: Entscheidend sind die Voraussetzungen. Wenn ich Übernatürliches vorab ausschließe oder mit der Annahme starte, die Texte seien ein Zusammenschnitt unbekannter Redaktionen, werde ich – fast zwangsläufig – bei „Mischung aus Realität und Fiktion" enden. Nimmt man dagegen den Anspruch der Schrift ernst (Joh 10,35; 2Tim 3,16) und Jesu Umgang mit der Schrift (Joh 5,39), liest man Geschichte mit Theologie: Gottes reales Handeln wird in sinnstiftender Sprache bezeugt – nicht in erfundenen Mythen.
Was dir helfen könnte, wieder „Harmonie" zu finden
Lege Lk 1,1–4 neben Apg 1,1–3: Sieh dir an, wie eng beides verbunden ist.
Lies Apg 9; 22; 26 nebeneinander und markiere nur die gemeinsamen Kernaussagen (Erscheinung des auferstandenen Jesus, Stimme, Auftrag, Wendepunkt im Leben des Paulus). Die Unterschiede sind Erzählfokus, der Kern ist konstant.
Halte an zwei Leitfragen fest: (a) Erklären sich die Spannungen innerhalb des Textes? (b) Entspricht meine Methode dem Selbstanspruch der Schrift – oder importiere ich ein Raster, das die Schrift vorher schon relativiert?
Ich verstehe, dass der Satz „Mischung aus Realität und Fiktion" erst einmal Sicherheit zu geben scheint. Meiner Erfahrung nach nimmt er sie am Ende weg. Verlässlichkeit wächst, wenn wir die Bibel so lesen, wie sie sich selbst versteht: Gottes wahres Wort, historisch verankert und theologisch gedeutet – beides zusammen.
Jesus selbst begegnete den Schriften nicht mit Grundmisstrauen, sondern mit tiefem Vertrauen und als Legitimationsbasis. Er zitierte sie als göttliche Autorität („Es steht geschrieben...") und sah in ihnen das Zeugnis über sich selbst (Joh 5,39). Für ihn waren sie der Maßstab, an dem sich alles messen lassen muss – und zugleich der sichere Boden, auf dem der Glaube ruht. Wer an Jesus festhält, darf auch seiner Sicht auf Gottes Wort vertrauen.
gruß
nk
p.s.: Wir leben in einer Zeit, in der leider auch manche, die das Evangelium verkünden sollten, selbst nicht mehr fest an die Wahrheit der biblischen Botschaft glauben. Das macht es umso wichtiger, dass wir uns nicht allein auf menschliche Worte verlassen, sondern auf das verlassen, was Gott in seinem Wort selbst sagt.
One of Israel
Re: Bibelkritik - Was macht das mit dem eigenen "Gottesbild"?
von nusskeks am 13.08.2025 15:53Danke für deine Gedanken – ich kann dir in vielem zustimmen.
Gerade der Hinweis aus 1. Thessalonicher 5,21 ist wichtig: Prüft alles, das Gute behaltet! Das bedeutet für mich, dass wir einerseits wachsam mit Behauptungen umgehen, die die Bibel relativieren oder entkräften wollen – andererseits aber auch ehrlich prüfen dürfen, ob etwas wirklich dem Wort Gottes widerspricht oder ob es vielleicht nur eine Frage der Auslegung ist.
Bibelkritik im modernen Sinn zielt leider oft darauf ab, die Bibel nicht mehr als von Gott inspiriertes, unfehlbares Wort zu behandeln, sondern als rein menschliches Produkt. Damit verschiebt sich das Fundament: Nicht mehr Gottes Wort richtet uns, sondern wir richten über Gottes Wort. Das Ergebnis ist in der Geschichte klar zu sehen: Wo diese Sicht Einzug hält, schwindet das Vertrauen in die Bibel – und mit ihm die geistliche Kraft.
Archäologische und historische Funde bestätigen dagegen immer wieder die Zuverlässigkeit der biblischen Berichte. Das gibt uns eine starke Basis, um der Skepsis nicht nachzugeben. Gott ist ein Gott der Wahrheit, er kann nicht lügen (Titus 1,2), und darum ist auch sein Wort verlässlich – in seiner geistlichen Botschaft und in den berichteten geschichtlichen Ereignissen.
Deshalb ist es für uns Christen entscheidend, das Wort gut zu kennen, im Glauben fest darin verwurzelt zu sein und den Heiligen Geist um Unterscheidungsvermögen zu bitten. So können wir zwischen berechtigter Prüfung und destruktiver Bibelkritik unterscheiden. Und letztlich dürfen wir darauf vertrauen: Wer Gottes Wort annimmt und daran festhält, steht auf einem sicheren Fundament – auch in einer Zeit, in der Wahrheit oft relativiert wird.
Soweit, erste Gedanken.
nk
One of Israel
Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?
von nusskeks am 13.08.2025 08:50Lieber Suchender,
danke für deine Klarstellungen. Ich gehe knapp auf die drei Blöcke ein – erst Sachliches, dann ein kurzer Blick auf die Vertrauensfrage.
6) „Nur ein Autor, kein Zeugenplural?"
Unabhängige Quelle zu Lukas: Die Paulusbriefe sind zeitlich vor der Apostelgeschichte entstanden und bilden eine eigenständige Quelle. Wenn Paulus in Gal 1–2 seine Begegnungen mit Kephas (Petrus), Jakobus und Johannes schildert und die „rechte Hand der Gemeinschaft" beschreibt (Gal 2,9), ist das nicht Lukas, sondern Paulus selbst. Damit hast du mindestens zwei voneinander unabhängige Stränge: Paulus (autobiographisch) und Lukas (historiographisch).
„Wir"-Abschnitte in Apg: Die Wir-Berichte (Apg 16; 20–21; 27–28) markieren Eigenbeteiligung. Das ist kein Beweis im mathematischen Sinn, aber es ist innenbiblische Evidenz für Augenzeugennähe.
Ananias: Auch ohne externen Ananias-Bericht tragen die Paulusbriefe den Kern (Berufung, Anerkennung durch Jerusalemer Säulen). Lukas ergänzt die lokale Vermittlung durch Ananias – das macht die Szene nicht unglaubwürdig, sondern konkret.
7) Jesus, Paulus und Sexualethik / Frauen
Kontinuität, nicht Innovation: Jesus definiert die Ehe schöpfungsbezogen (Gen 1–2; Mt 19,4–6) und nennt porneía als das, was von innen „verunreinigt" (Mk 7,21–23). Im damaligen Judentum umfasste porneía die Tora-Verbote (u. a. Lev 18; 20). Paulus übersetzt diese Jesus-/Tora-Logik in den heidnischen Kontext: arsenokoîtai ist kein „neues Paulusrecht", sondern aus der LXX-Formulierung von Lev 18,22/20,13 gebildet (Wort aus der Tora in paulinischer Kurzform). Darum schließt 1Kor 6,9–11 mit Gnade: „Solches sind etliche von euch gewesen; aber ihr seid gewaschen..." – keine Abwertung von Personen, sondern Ruf in die Nachfolge.
Frauenbild: Paulus verbietet Frauen nicht generell „Stimme" – im Gegenteil: Frauen beten und weissagen in der Gemeinde (1Kor 11,5); Priska unterweist zusammen mit Aquila den Apollos (Apg 18,26); Phoebe ist diakonos und prostatis (Röm 16,1–2); Junia wird als herausragend unter den Aposteln genannt (Röm 16,7, so traditionell verstanden). Die umstrittenen Texte (1Kor 11; 1Tim 2) sprechen Ordnung und Lehrautorität an, nicht den Wert. Jesus würdigt Frauen – Paulus tut es ebenfalls, wenn auch mit Aussagen zur Ordnung der Gemeinde. Das ist Spannung, aber kein Widerspruch im Kern.
8) Kanon – „zirkulär" und „nur menschlich"?
Nicht zirkulär: Wenn ich Gal 1–2 anführe, argumentiere ich nicht mit Lukas über Lukas, sondern mit Paulus über Lukas – einer unabhängigen Frühquelle.
Wie wurde entschieden? Die alten Kriterien waren Apostolizität (Augenzeugennähe/ apostolische Autorität), Übereinstimmung mit der Regel des Glaubens (kein anderes Evangelium) und katholische Rezeption (breiter Gebrauch in den Gemeinden). Dass z. B. 2Petr/Hebr länger diskutiert wurden, belegt Sorgfalt, nicht Willkür.
Historische Zuverlässigkeit: Gerade Lukas/ Apostelgeschichte ist reich an überprüfbaren Details (Ämter, Titel, Orte, Reisewege). Die Kirche hat nicht „nützliche Literatur" gewählt, sondern Schriften, die das apostolische Zeugnis von realen Ereignissen tragen. Der Prozess war menschlich und geistlich – und die frühe, weite Annahme quer über Gemeinden und Regionen ist historisch bemerkenswert.
Kurz zur Vertrauensfrage: Du bekennst Christus – das ist der Grund. Der nächste Schritt ist m. E. fair zu prüfen, ob die apostolischen Zeugen im Kern übereinstimmen (sie tun es) und ob die Spannungen plausibel erklärbar sind (bei Apg 9/22/26: ja – Sprache, Perspektive, Fokus). Vertrauen in Gottes Wort ist nicht blind; es ruht auf historischer Verankerung und der inneren Kohärenz des Gesamtzeugnisses. Statt „persönlicher Bereinigung" schlage ich vor: Lies die Texte kanonisch – lass Schrift Schrift auslegen, und miss Paulus an Jesus' Schöpfungslogik, nicht an modernen Erwartungen.
Jesu Sicht auf die Schrift
Einen Punkt möchte ich bewusst ergänzen: Jesus, dem Du (an)gehörst, selbst spricht von der Schrift als Gottes Wort, „das nicht gebrochen werden kann" (Joh 10,35), und als Zeugen für seine Person und sein Werk (Joh 5,39). Er sieht sie nicht als loses Stimmengewirr, das wir nach Belieben sortieren, sondern als von Gott gegebenes Zeugnis, das uns zu ihm führt und Autorität hat. Wenn wir Jesus in diesem Punkt folgen wollen, bedeutet das auch, die apostolischen Zeugen nicht primär von außen zu richten, sondern uns von ihrem Wort richten und leiten zu lassen. Aus eigener Erfahrung kann ich dazu ebenfalls nur ermuntern.
gruß
nk
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 12.08.2025 15:23Ich nochmal... soory, aber ich habe hin und her überlegt, ob der letzte Text wirklich so sinnvoll ist, also didaktisch. Ob es also jemandem hilft, es so zu schreiben. Dann habe ich überlegt, ob ich den letzten Beitrag wieder löschen sollte. Als Resultat habe ich den Beitrag neu geschrieben und anders aufgebaut. Ihr könnt selbst entscheiden, welche Fassung euch lieber ist. Viel Spaß damit:
„Es steht geschrieben" – Jesu Sicht auf die Schrift und unser Vertrauen
Wenn wir Jesus in den Evangelien begegnen, sehen wir einen Herrn, der mitten im Leben steht – aber dessen Herz und Denken fest verankert sind im Wort Gottes. Für ihn ist die Schrift nicht ein Buch unter vielen, nicht eine Sammlung religiöser Gedanken, sondern Gottes lebendiges, unfehlbares Wort. „Die Schrift kann doch nicht gebrochen werden", sagt er (Joh 10,35) – und damit stellt er klar: Hier spricht Gott selbst, und kein Buchstabe ist zufällig.
Dabei macht Jesus etwas deutlich, das wir oft übersehen: Wenn die Schrift spricht, spricht Gott. Als er den Sadduzäern von der Auferstehung erzählt, sagt er: „Habt ihr nicht gelesen, was euch von Gott gesagt ist?" (Mt 22,31). Und in einer Auseinandersetzung mit den Pharisäern wirft er ihnen vor, „das Wort Gottes" durch ihre Traditionen aufzuheben (Mk 7,13). Für ihn ist also jede Zeile der Schrift nicht nur historische Aufzeichnung, sondern Gottes gegenwärtige Rede an die Menschen – damals wie heute.
Immer wieder greift Jesus auf die Schriften zurück, wenn er seine Identität als Messias bezeugt. Ob in der Synagoge von Nazareth, wo er Jesaja 61 liest und sagt: „Heute ist diese Schrift erfüllt", oder auf dem Weg nach Emmaus, wo er den Jüngern aus Mose und den Propheten erklärt, dass der Christus leiden musste – er stellt sich selbst mitten in die große Geschichte Gottes, wie sie im Alten Testament offenbart ist. Für ihn ist klar: Wer wissen will, wer er ist, muss die Schrift kennen und ihr glauben.
Bemerkenswert ist, wie Jesus mit der Schrift umgeht. Er nimmt jedes Wort ernst – sogar die Zeitform eines Verbs oder den kleinsten Buchstaben (Mt 5,18; Mt 22,32). Damit macht er deutlich: Gottes Wort ist in jeder Hinsicht wahr. Wenn er aus 5. Mose den Angriffen des Teufels entgegentritt („Es steht geschrieben..."), zeigt er uns, dass geistlicher Sieg nur da möglich ist, wo wir fest auf Gottes Wort stehen.
Jesus behandelt die Geschichten und Personen des Alten Testaments als historische Wirklichkeit: Noah, Jona, Mose, David – für ihn sind das keine Legenden, sondern Teil der heilsgeschichtlichen Realität, auf die Gott seinen Plan gründet. Wer die Schrift relativiert, stellt sich damit in Gegensatz zu Jesu eigener Haltung.
Und so wird deutlich: Wer Jesus folgt, übernimmt seine Sicht auf die Bibel. Für ihn war sie das Fundament seiner Lehre, die Quelle seiner Kraft und die Richtschnur seines Handelns. Sie war für ihn nicht verhandelbar – und sollte es für uns ebenso wenig sein.
Vielleicht ist das heute unsere größte Herausforderung: das Vertrauen in Gottes Wort so ernst zu nehmen wie Jesus selbst. Wenn wir ihm glauben, dass „nicht ein Jota noch ein Strichlein vergehen wird", dann lernen wir, unser Leben nicht nach wechselnden Meinungen, sondern nach dem ewigen Wort Gottes zu bauen. Dann wird die Bibel nicht nur ein Buch im Regal, sondern die Stimme des lebendigen Gottes, der uns ruft, korrigiert, tröstet und stärkt.
Möge unser Herz – wie das unseres Herrn – im Wort verankert sein, damit wir in jeder Prüfung sagen können: „Es steht geschrieben." Und möge unser Leben ein Zeugnis dafür sein, dass wir glauben, was Jesus geglaubt hat: Die Schrift ist Gottes vollkommenes, wahrhaftiges und lebendiges Wort – und sie führt uns zu ihm.
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 12.08.2025 14:44Jesus und die Bibel
(Ist als Ermutigung und zum Weiterforschen für den Leser gedacht. Sorry, wurde etwas länger)
1. Ausgangspunkt und Ziel: Jesu Selbstverständnis und die Schrift
Jesus versteht seine Sendung nicht losgelöst von der Schrift, sondern aus ihr heraus. Er tritt auf mit der Überzeugung, dass „alles, was über mich geschrieben steht" zur Erfüllung kommen „muss" (δεῖ; Lk 24,44–47). Damit begründet Jesus seine Messianität nicht primär durch Wunder oder Volksmeinungen, sondern durch das, was „geschrieben steht" (γέγραπται, gégraptai; Mt 4,4.7.10; Mk 14,27 u.ö.). Die Schrift ist für ihn Gottes offenbartes Wort, das seine Person und sein Werk legitimiert.
2. Jesu ausdrückliche Sicht auf Autorität und Wahrhaftigkeit der Schrift
Zentrale Aussagen:
„Die Schrift kann doch nicht gebrochen werden" (ἡ γραφὴ οὐ δύναται λυθῆναι, hē graphē ou dynatai lythēnai; Joh 10,35). Jesus behauptet Unauflöslichkeit und Verbindlichkeit der Schrift.
„Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht ein Jota noch ein Strichlein (ἰῶτα ἓν ἢ μία κεραία, iōta hen ē mia keraia) vom Gesetz vergehen" (Mt 5,18). Das „iota" entspricht dem hebräischen י (yod), „keraia" dem kleinsten Strich – Jesus betont Genauigkeit bis in kleinste Zeichen.
In der Auseinandersetzung mit den Sadduzäern beruft er sich auf die Zeitform eines einzelnen Verbs, um die Auferstehung zu beweisen (Ex 3,6 in Mt 22,31–32: „Ich bin der Gott Abrahams ..."). Grammatik wird theologisch entscheidend.
Diese Aussagen setzen voraus, dass die Schrift in jeder Hinsicht wahrhaftig und zuverlässig ist. Für Jesus ist das, was die Schrift sagt, das, was Gott sagt.
3. „Gott spricht in der Schrift" – Gleichsetzung von Schriftwort und Gotteswort
Jesus macht wiederholt deutlich, dass in der Schrift Gott selbst spricht:
„Habt ihr nicht gelesen, was euch von Gott gesagt ist?" (Mt 22,31) – obwohl das Zitat aus Mose stammt, ist es „von Gott gesagt".
„Ihr hebt das Wort Gottes (τὸν λόγον τοῦ θεοῦ, ton logon tou theou) auf durch eure Überlieferung" (Mk 7,13). Schrift ist „Wort Gottes" – Tradition darf es nicht neutralisieren.
4. Kanonisches Selbstverständnis: Gesetz, Propheten, Psalmen – von Abel bis Secharja
In Lk 24,44 nennt Jesus die dreifache Einteilung der hebräischen Bibel: „Gesetz des Mose" (תּוֹרָה, Torah), „Propheten" (נְבִיאִים, Nevi'im) und „Psalmen/Schriften" (כְּתוּבִים, Ketuvim). In Mt 23,35 spricht er vom Blut Abels (Gen 4) bis Secharja – eine Formulierung, die den Rahmen „Genesis bis Chronik" markiert (in der jüdischen Kanonordnung steht Chronik am Ende). Damit bestätigt Jesus implizit Umfang und Autorität des alttestamentlichen Kanons.
5. Jesu Schriftgebrauch in ethischen und theologischen Streitfragen
Jesus behandelt die Schrift als letzte Norm (norma normans):
a) Versuchung in der Wüste (Mt 4,1–11; Lk 4,1–13). Dreimal antwortet er mit „Es steht geschrieben" (γέγραπται) und zitiert aus Dtn 6–8. Er widersteht dem Satan nicht mit Erfahrung oder Logik allein, sondern mit dem geoffenbarten Wort.
b) Ehe/Schöpfungsordnung (Mt 19,3–9; Mk 10,2–9). Er argumentiert aus Gen 1–2 („von Anfang an", ἀπ' ἀρχῆς) und begründet Ethik aus Schöpfungshistorie. Für Jesus ist Genesis Geschichte mit normativer Kraft.
c) Auferstehung (Mt 22,23–33). Aus Ex 3,6 (d.h. aus der Tora, die die Sadduzäer anerkannten) leitet er die Auferstehung ab – feinste grammatische Beobachtung trägt Lehrwahrheit.
d) Sabbat/Tempelreinigung (Mt 12; Mt 21,13). Er interpretiert Gen 2, Hosea 6,6 („Ich will Barmherzigkeit, nicht Opfer"), Jes 56,7 und Jer 7,11 – die Schrift richtet den kultischen und moralischen Gottesdienst aus.
e) Tradition vs. Gebot (Mk 7,1–13). Jesus weist menschliche Tradition zurück, wo sie Gottes Gebot neutralisiert – die Hierarchie ist klar: Schrift > Tradition.
6. Jesu messianische Selbstbezeugung „gemäß den Schriften"
Jesu Identität und Auftrag werden durch „Erfüllung" (πληρόω, plēróō) geprägt:
a) Programmatische Antrittspredigt (Lk 4,16–21). Er liest Jes 61,1–2, wendet es auf sich an („Heute ist diese Schrift erfüllt").
Textkritischer Hinweis: In Lk 4,18 enthalten viele byzantinische Zeugen (RP/TR) den Satzteil „zu heilen, die zerbrochenen Herzens sind" (καὶ ἰάσασθαι τοὺς συντετριμμένους τῇ καρδίᾳ), der in NA28 fehlt. Unabhängig von der Variante ist die Hauptaussage unberührt: Jesus identifiziert sich als der Gesalbte, auf dem der Geist ruht, der die Heilszeit bringt.
b) Leidens- und Auferstehungsnotwendigkeit (Lk 24,25–27.44–47). „Musste (δεῖ) der Christus das nicht leiden und in seine Herrlichkeit eingehen?" Jesus legt „bei Mose und allen Propheten" aus, „was in allen Schriften über ihn steht". Sein Weg ans Kreuz ist Schriftgebot, nicht bloß Tragik.
c) Konkrete Erfüllungen.
– Einzug (Sach 9,9; Mt 21,4–5).
– Hirtenschlag (Sach 13,7; Mt 26,31).
– „Unter die Gesetzlosen gerechnet" (Jes 53,12; Lk 22,37).
– Psalm 22 am Kreuz (Mt 27,46; Ps 22,2 [hebr. 22,1]).
– „Eifer um dein Haus" (Ps 69,10; Joh 2,17).
Jesus beansprucht ausdrücklich, der Messias der Propheten zu sein (vgl. Joh 5,39.45–47: „Wenn ihr Mose glaubtet, würdet ihr mir glauben; denn er hat von mir geschrieben").
7. Typologie und heilsgeschichtliches Lesen
Jesus liest die Schrift heilsgeschichtlich und typologisch, ohne den wörtlich-historischen Sinn zu negieren:
Jonah als Vorausbild seines Todes/Auferstehens (Mt 12,39–41). „Größer als Jona ist hier" – Typus (יוֹנָה, Yonah) erfüllt sich im Antitypus.
Manna/Passa/Tempel: Er deutet Manna (Ex 16) christologisch (Joh 6), das Passa (Ex 12) auf sein Opfer, den Tempel auf seinen Leib (Joh 2,19–21).
Schlange in der Wüste (Num 21,9) als Vorausbild der Erhöhung des Menschensohns (Joh 3,14–15).
8. Inspiration bis ins Detail: Wörter, Zeiten, Buchstaben
Jesu Argumentationen beruhen oft auf „Kleinigkeiten", was seine Sicht auf Verbalinspiration erkennen lässt:
Zeitform (Mt 22,32; Ex 3,6 LXX: ἐγώ εἰμι, „ich bin").
Einzelwort (Joh 10,34–36 aus Ps 82,6: „Götter" – θεοί – in forensischer, richterlicher Funktion).
Buchstabenstriche (Mt 5,18: י (yod), κεραία).
„Es steht geschrieben" (γέγραπται, Perfekt) – die bleibende Geltung des geschriebenen Wortes.
9. Historische Zuverlässigkeit: Jesus bestätigt die Historizität des AT
Jesus verweist auf Noach (נֹחַ; Mt 24,37–39), Abel (הֶבֶל; Lk 11,51), Sodom und Gomorra (Lk 10,12), Lot's Frau (Lk 17,32), Jona (Mt 12,40–41), Mose und den Dornbusch (Mk 12,26) und Daniel (Mt 24,15) als reale Personen/Ereignisse. Er spricht David die Autorenschaft von Ps 110 zu und betont, dass David „im Heiligen Geist" redete (ἐν πνεύματι ἁγίῳ; Mk 12,36). Jesu Umgang mit diesen Texten setzt die historische Verlässlichkeit des AT voraus und bestätigt sie zugleich.
10. Gesetz und Erfüllung (Mt 5,17–20): Kein Abbruch, sondern Zielerreichung
„Ich bin nicht gekommen aufzulösen (καταλῦσαι), sondern zu erfüllen (πληρῶσαι)." Erfüllung bedeutet nicht Entwertung, sondern Vollendung und Offenlegung des eigentlichen Sinns. In den Antithesen („Ihr habt gehört ... ich aber sage euch") radikalisiert er nicht gegen Mose, sondern zeigt die Tiefe des Gesetzes und die Irrtümer des Talmud auf (Herz, Motivation, Ganzhingabe). Die bleibende Geltung des göttlichen Willens wird nicht geschwächt, sondern bestätigt und in Christus konkretisiert.
11. Sprachliche und kanonische Feinheiten
„Schrift" (ἡ γραφή, hē graphē / αἱ γραφαί, hai graphai) erscheint bei Jesus als feststehender Autoritätsbegriff, häufig im Perfekt „γέγραπται" („es steht geschrieben").
„Gesetz" (νόμος, nomos) kann eng die Tora oder weit den ganzen Kanon bezeichnen (Joh 10,34; Zitat aus Ps 82 zeigt: „Gesetz" = gesamte Schrift).
Hebräische Dreiteilung (Torah–Nevi'im–Ketuvim) in Lk 24,44 bestätigt die Struktur des jüdischen Kanons.
LXX/MT-Frage: Jesu Zitate folgen oft der Septuaginta (griech. Übersetzung), teils paraphrasiert er. Entscheidend für ihn ist der gottgewollte Sinn des Textes. Wo griechische und hebräische Formulierungen differieren, behandelt Jesus beide nicht konkurrierend, sondern dient sich des anerkannten Schriftwortes an, um Gottes Willen klarzumachen. (Für unsere Lehre: Autorität liegt in dem von Gott intendierten Inhalt, den die Kirche in der kanonischen Schrift empfängt.)
12. Einwände und Kurzantworten
Mark 2,26 („unter Abiathar") vs. 1Sam 21: Jesus widerspricht der Schrift nicht; die Wendung kann „in der Zeit des Abiathar" bedeuten (ein bekannterer Hoherpriester der David-Zeit). Der Punkt Jesu bleibt: Barmherzigkeit und Lebensschutz entsprechen dem Schöpfungssinn des Sabbats.
„Von Abel bis Secharja" (Mt 23,35): Die Identifikation des Secharja ist diskutiert; die Hauptaussage – der gesamte Kanon bezeugt Israels Umgang mit Gottes Boten – bleibt klar erkennbar.
13. Konsequenz: Wer Jesus folgt, übernimmt seine Bibliologie
Wenn Jesus der messianische Sohn Gottes ist und ohne Sünde die Wahrheit redet, dann ist seine Sicht der Schrift normativ für Jünger. Er hält die Schrift für göttlich, unfehlbar, maßgebend und zielgerichtet auf ihn. Christliche Nachfolge ohne hohe Schriftansicht wäre ein Widerspruch zu Jesu eigener Lehre. Die historische Zuverlässigkeit des Alten Testaments ist für ihn nicht Randfrage, sondern Fundament seiner Sendung.
14. Leitverse (mit kurzen Sprachhinweisen) für die Vertiefung
Joh 10,35: ἡ γραφὴ οὐ δύναται λυθῆναι (die Schrift kann nicht gelöst/aufgehoben werden).
Mt 5,18: ἰῶτα / κεραία (kleinster Buchstabe/Strichlein).
Lk 24,44–47: νόμος–προφῆται–ψαλμοί; δεῖ (Muss-Notwendigkeit der Erfüllung).
Mt 22,31–32: „gesprochen zu euch von Gott" – göttliche Stimme in Schrift.
Mk 12,36: Δαυίδ ... ἐν πνεύματι ἁγίῳ (David im Heiligen Geist).
Joh 5,39.46: ἐραυνᾶτε τὰς γραφάς (forscht in den Schriften); „Mose hat von mir geschrieben."
15. Vorschlag für die Weiterarbeit
Textbetrachtung: Lk 24,13–35 (Emmaus) – bitte den Herrn, „den Sinn zu öffnen" (διήνοιξεν τὸν νοῦν; vgl. Lk 24,45) und markiere, wie Jesus von Mose/Propheten auf sich zeigt.
Gehorsamsfelder: Mk 7,1–13; Mt 19,3–9 – Wo korrigiert die Schrift unsere Traditionen und Wünsche?
Trostquellen: Ps 22 mit den Evangelien – wie gibt die Schrift dem leidenden Messias und seinen Jüngern Sprache und Hoffnung?
Bekenntnis: Formuliere ein persönliches „Heute ist diese Schrift erfüllt" (Lk 4,21) – Wo erlebst du, dass Christus das Schriftwort an dir vollzieht?
One of Israel
Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?
von nusskeks am 12.08.2025 08:47Lieber Suchender,
mich bewegt, dass du einerseits so klar bekennst, zu Jesus Christus zu gehören, und andererseits mit Misstrauen auf manche seiner Zeugen blickst. Das ist keine Kleinigkeit – und ich glaube, dass dein Wunsch nach Klarheit und Wahrheit Gott wichtig ist.
Manchmal ist es hilfreich, sich daran zu erinnern, dass Jesus selbst seinen Aposteln den Auftrag gegeben hat, von ihm zu zeugen (Joh 15,27; 17,20) – und dass die ersten Christen diese Zeugnisse nicht leichtfertig angenommen haben, sondern prüften, ob sie aus erster Hand und in Übereinstimmung mit der Botschaft des Herrn standen. Dass Lukas oder Paulus nach Jesu Himmelfahrt in den Vordergrund traten, heißt nicht, dass sie „später erfunden" wurden. Die frühe Gemeinde hat ihre Berufung und ihr Zeugnis bestätigt (Gal 2,9).
Vielleicht hilft dir der Gedanke, dass Gott Menschen gerade in ihrer Unterschiedlichkeit gebraucht: Lukas als sorgfältigen Historiker, Paulus als kompromisslosen Verkündiger der Gnade. Sie widersprechen einander nicht im Kern, sondern bezeugen denselben Herrn aus verschiedenen Blickwinkeln.
Ich möchte dich ermutigen, die Bibel nicht mit der Haltung „Was kann ich streichen?" zu lesen, sondern mit der Frage: „Was will Gott mir hier über Jesus zeigen?" Wenn Christus selbst dich schon gefunden hat, dann wird er dir auch helfen, seinem Wort – und denen, die er als Zeugen berufen hat – wieder mehr zu vertrauen.
gruß
nk
One of Israel
Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?
von nusskeks am 12.08.2025 08:40Hallo Suchender,
danke für deine sorgfältige Rückmeldung – ich greife nur die Kernpunkte auf und halte mich kurz.
1) „Hörten ... / hörten nicht" (Apg 9,7 vs. 22,9)
Du hast recht: Genitiv/Akkusativ bei ἀκούω ist keine eiserne Regel. Aber genau deshalb muss der Kontext entscheiden. In Apg 26,14 ergänzt Paulus ein Detail, das die Differenz erklärt: Die Stimme sprach „in hebräischer Sprache". Zusammengenommen ergibt sich ein stimmiges Bild: Die Begleiter nahmen etwas akustisch wahr (Genitiv in 9,7), erfassten aber die an Paulus gerichtete Rede nicht (Akkusativ-Verneinung in 22,9). Dass Lukas in der Verteidigungsrede (22) den Fokus auf die Nicht-Erfassung der an Paulus gerichteten Stimme legt, ist rhetorisch plausibel – es bleibt kein zwingender Widerspruch, sondern unterschiedliche Zuspitzung derselben Szene. Deine Einwände kenne ich; sie zeigen, dass die Kasus-Nuance nicht allein trägt – mit 26,14 jedoch ist sie textimmanent erklärbar.
2) „Sie sahen niemanden" vs. „sie sahen das Licht"
In 9,7 bezieht sich „sahen niemanden" auf die Begleiter; 22,9 sagt über dieselben: „das Licht sahen sie." Person sah niemand – Licht sahen sie wohl. Das ist kompatibel: eine überwältigende Theophanie ohne sichtbare Person für die Begleiter, während Paulus selbst bezeugt, den Herrn gesehen zu haben (vgl. 1Kor 9,1; Apg 26,16–19). Aus „Licht = Erscheinung" folgt nicht, dass „niemand sehen" das Licht ausschließen müsste.
3) „Ich fiel" vs. „Wir alle fielen"
Apg 9 und 22 fokussieren narrativ bzw. in der Ich-Rede Paulus; 26,14 liefert die zusätzliche Gruppenangabe („als wir alle zu Boden gefallen waren"). Selektive Perspektive ist kein Widerspruch, sondern normale Erzählökonomie (Redeauszüge vs. Erzählerbericht). Der Kriminalistik-Vergleich greift hier zu kurz, weil Redewiedergaben in der Antike bewusst pointieren.
4) „Paulus erwähnt die Blindheit nicht"
Argumente ex silentio bleiben schwach. Paulus meidet es, mit „Erlebniskapiteln" zu werben (vgl. 2Kor 12,1–10); er verweist stattdessen auf die Offenbarung Christi (Gal 1,15–16). Dass er die Blindheit nicht nennt, erklärt die Sache nicht weg – aber es stützt auch nicht die These, Lukas habe frei „dramatisiert".
5) Hellenistische Topoi vs. biblische Theophanie
Das Licht-Motiv ist innerbiblisch verankert (Dan 10,7; Hes 1; Hab 3,4). Eine reale Theophanie kann sich symbolisch „sprechen"; Symbolik ersetzt historische Plausibilität nicht – sie deutet sie. Lukas' Präambel (Lk 1,1–4) beansprucht historische Sorgfalt, und viele externe Details in Lk/Apg sind wiederholt bestätigt worden. Das heißt nicht „Mythos nach Drehbuch", sondern Theologie in Geschichte. Deine Verallgemeinerung (AT-Vision = unhistorisch; „nur Kreationisten...") führt vom Thema weg und setzt Prämissen, die der Text selbst nicht setzt.
Kurz gesagt: Liest man Apg 9/22 mit 26,14 zusammen, lösen sich die harten Widerspruchs-Kanten: (a) akustische Wahrnehmung vs. inhaltliches Erfassen, (b) Licht ohne sichtbare Person für die Begleiter, (c) perspektivische Kürze vs. gruppenbezogene Ergänzung. Das ist keine „rettende Spitzfindigkeit", sondern binnentextliche Kohärenz.
Mir ist wichtig (und das schreibe ich ausdrücklich), nicht nur geistlich, sondern auch historisch Vertrauen zu stärken: Lukas will verlässlich berichten; die drei Fassungen sind komplementär, nicht konkurrierend.
gruß
nk
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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?
von nusskeks am 11.08.2025 20:06Hallo pray,
Danke Dir. Mir fiel tatsächlich noch jede Menge ein. Allerdings weiß ich mittlerweile nicht, ob User Suchender überhaupt ein Wissensproblem hat. Es liest sich eher wie ein Vertrauensproblem. Wissenslücken kann man schließen. Vertrauen hingegen muss man erfahren und sich schenken lassen. Da sind auch viele Worte oft nicht hilfreich. Jesus zum Beispiel und alle gläubigen Menschen des Neuen Testaments zitieren mit großer Selbstverständlichkeit aus dem Alten Testament, ohne jede Zweifel, ohne es als Mythos oder Märchen zu deklarieren. Jesus legte seinen Jüngern gar das ganze Alte Testament aus und zeigte ihnen, wo überall von ihm die Rede sei. Wenn Jesus das tut... können wir das auch. Allerdings stehen wir oft da und sagen Sätze wie "Jesus kommt im Alten Testament doch gar nicht vor."
Herrn Drewermann habe ich absichtlich nicht aufgegriffen. Er und sein Wirken sind mir aber natürlich ein Begriff. Es erschien mir jedoch nicht hilfreich, dieses Thema auch noch zu eröffnen.
gruß
nk
One of Israel
Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?
von nusskeks am 11.08.2025 14:34Hallo Suchender,
es freut mich aufrichtig zu lesen, dass dein Vertrauen in Jesus Christus selbst unerschütterlich ist und du ihn als deinen Retter kennst. Das ist das Fundament, auf dem alles steht – und es verbindet uns trotz unterschiedlicher Sichtweisen auf einzelne Fragen.
Gerade weil du Christus kennst, möchte ich dir ans Herz legen, in deiner Einschätzung der biblischen Zeugen sehr vorsichtig zu sein. Die Männer, deren Glaubwürdigkeit du in Frage stellst – Paulus, Lukas, Timotheus, Barnabas – sind im Neuen Testament nicht isolierte Selbstdarsteller, sondern durchgängig in den Zusammenhang der ersten Gemeinden und Augenzeugen eingebunden:
Paulus begegnet Kephas (Petrus) und Jakobus (Gal 1,18–19) und erhält öffentlich „die rechte Hand der Gemeinschaft" von den Jerusalemer Säulen (Gal 2,9).
Lukas schreibt sein Evangelium ausdrücklich auf Grundlage von Augenzeugen (Lk 1,1–4) und wurde in der alten Kirche als verlässlicher Historiker geschätzt – viele seiner Orts-, Personen- und Amtsbezeichnungen sind durch externe Quellen bestätigt.
Barnabas wird in Apg 4,36–37 als Teil der Jerusalemer Gemeinde vorgestellt, lange bevor er Paulus' Begleiter wird.
Dass einzelne Schriften damals diskutiert wurden, ist kein Beweis gegen ihre Inspiration – eher umgekehrt: Die frühe Kirche prüfte sorgfältig, ob eine Schrift apostolisch, inhaltlich übereinstimmend und in den Gemeinden weit verbreitet war.
Ich glaube, dass „Spreu vom Weizen trennen" beim Wort Gottes nicht bedeutet, dass wir nach subjektiver Sympathie für den Autor filtern, sondern dass wir lernen, die Botschaft im Licht der ganzen Schrift zu verstehen. Wenn Jesus selbst den Schriften des Alten Testaments höchste Autorität gibt (Joh 10,35: „Die Schrift kann nicht gebrochen werden") und seine Apostel als von ihm Gesandte bestätigt (Joh 17,20; Apg 9,15), dann sollte uns das zu Vertrauen ermutigen – auch wenn einzelne Stellen uns vor Fragen stellen.
Mein Vorschlag: Lies die Paulusbriefe und die Apostelgeschichte noch einmal mit dem Blick darauf, wie sehr sie auf Christus zentriert sind. Du wirst vielleicht überrascht sein, wie wenig sie sich selbst ins Zentrum stellen – und wie sehr sie stattdessen Jesus bezeugen.
gruß
nk
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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?
von nusskeks am 11.08.2025 07:54Gute Antwort, und viel kürzer als meine! Sehr gut.
gruß
nk
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